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SSRQ ZH NF I/2/1 162-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, par Bettina Fürderer

Citation : SSRQ ZH NF I/2/1 162-1

Licence : CC BY-NC-SA

Schiedsspruch im Konflikt der Gesellschaft der Oberen Trinkstube in Winterthur über die Aufnahme von Mitgliedern

1493 décembre 16.

Schultheiss und Rat von Winterthur schlichten einen Konflikt unter den Mitgliedern der Gesellschaft der Oberen Trinkstube. Die Schmiede, Zimmerleute, Wagner und die übrigen, die ihrer Gruppe angehören, beanspruchen das Recht, alle in Winterthur wohnhaften Personen, die ihr Handwerk ausüben, zum Kauf des Stubenrechts verpflichten zu können. Die Metzger, Bäcker und übrigen, die ihrer Gruppe angehören, erkennten zwar an, dass die Gegenseite diejenigen, die ihr Handwerk ausüben, zum Erwerb des Kerzenrechts veranlassen könne, sprachen ihr aber die Berechtigung ab, jemanden ohne ihre Zustimmung in die Gesellschaft aufzunehmen. Die Stubengesellen, die kein Kerzenrecht erworben, sondern die Mitgliedschaft ererbt haben, als dritte Partei fordern die beiden anderen Parteien dazu auf, sie bei ihren Rechten und Gewohnheiten ungehindert zu belassen. Nach Anhörung der drei Parteien fällen Schultheiss und Rat folgenden Schiedsspruch: Die Schmiede, Zimmerleute, Wagner und alle anderen, die zu ihnen gehören, sollen sechs Männer bestimmen, ebenso die Metzger, Bäcker, Müller und alle, die zu ihnen gehören. Diese Sechs sollen jeweils einen Gesellen mit ererbtem Stubenrecht wählen. Das auf diese Weise gebildete Gremium der Vierzehn soll künftig über die Aufnahme von Mitgliedern und andere Angelegenheiten der Stubengesellschaft befinden (1). Die Beschlüsse der Vierzehn sind für alle Mitglieder der Gesellschaft bindend (2). Kommt kein Mehrheitsbeschluss zustande, entscheiden Schultheiss und Rat (3). Die vier Stubenmeister und der Stubenknecht sollen weiterhin von den Gesellen gewählt werden (4). Die Parteien haben die Einhaltung dieser Bestimmungen an Eides Statt gelobt (5). Die in zwei Pergamentrödeln aufgezeichneten Statuten der Gesellschaft sollen weiterhin in Kraft bleiben (6). Schultheiss und Rat behalten sich vor, die Statuten und die Bestimmungen des Schiedsspruchs zu ändern (7). Die Aussteller siegeln mit dem Ratssiegel der Stadt Winterthur.

  • Cote : STAW URK 1740/2
  • Date : 1493 décembre 16
  • Tradition : Original
  • Support d’écriture : Pergament
  • Dimensions l × h (cm) : 47.0 × 37.0 (Plica : 6.0 cm)
  • 1 sceau :
    1. Rat der Stadt WinterthurOrganisation : , cire, rond, attaché à une lanière en parchemin, endommagé
  • Langue : allemand
  • Scripteur : Konrad Landenberg

Die in Stubengesellschaften organisierten Handwerksverbände erfüllten auch religiöse Bedürfnisse. Im Kerzenkult manifestiert sich der bruderschaftliche Charakter dieser Korporationen, vgl. Henkelmann 2018, S. 331-334; Dubler 1982, S. 66-69. So legte eine Prozessionsordnung des WinterthurerLieu : RatsOrganisation : fest, in welcher Reihenfolge die Kerzen der einzelnen Handwerke und Gesellschaften zu tragen waren (SSRQ ZH NF I/2/1 153-1). Ihre Kerzen beleuchteten an Feiertagen die Pfarrkirche (vgl. STAW B 2/5, S. 443; Teiledition: Illi 1993, S. 140). Darüber hinaus diente der kollektive Auftritt in sakralem Rahmen repräsentativen Zwecken.

In der OberstubeOrganisation : waren mehrere Berufssparten vertreten, darunter Bäcker, Metzger, Buchbinder, Gürtler, Scherer, Bader, Zinngiesser, Sattler, Hafner, Drechsler, Zimmerleute, Maurer, Schmiede, Schlosser, Spengler, Tischmacher, Wannenmacher, Küfer, Seiler, Färber, Uhrmacher, Maler, Müller und Wagner, wie Johann Jakob GoldschmidPersonne : in seinen Aufzeichnungen angibt (winbib Ms. Fol. 30, S. 147). Zunächst hatten sich offenbar nur die nahrungsmittelproduzierenden und -verarbeitenden Gewerbe in der OberstubeOrganisation : zusammengeschlossen. 1477 traten die Schmiede und wohl auch die Zimmerleute, die bisher eine gemeinsame Stube unterhalten hatten (STAW B 2/3, S. 168), der Gesellschaft bei (Bosshart, Chronik, S. 57; vgl. STAW B 2/3, S. 343-344). Noch 1489 wurden den Kerzen der Müller, Metzger und Bäcker als Vertreter der OberstubengesellschaftOrganisation : und denen der Zimmerleute und Schmiede separate Plätze in der Fronleichnamsprozession zugewiesen (SSRQ ZH NF I/2/1 153-1). Dagegen gründeten Rebleute, Weber sowie Schuhmacher und Gerber in WinterthurLieu : eigene Stubengesellschaften, wobei das Spektrum der zugehörigen Handwerke auch hier breit war und Angehörige anderer Berufsgruppen durch Erbschaft des Stubenrechts des Vaters Mitglied werden konnten, vgl. beispielsweise SSRQ ZH NF I/2/1 220-1. Die Herausbildung solcher Gesellschaften aus den Kreisen der Handwerke erläutert Dubler 1982, S. 108-119.

1553 gaben sich die Mitglieder der WinterthurerLieu : OberstubeOrganisation : eine Satzung. Geregelt wurden folgende Punkte: Rechnungslegung der Stubenmeister, Aufnahme in die Stube durch die Vierzehner, Beitrittsgebühr der Personen, die ein zur Stube gehörendes Handwerk erlernen wollten, Erhebung der Mitgliedsbeiträge, Bussen für das Versäumen von Versammlungen («pot») und Neujahrsfeier (STAW AH 99/10 Zü). Die OberstubeOrganisation : bestand bis zum Ende des Ancien Régime fort und wurde dann aufgelöst. Bereits im Jahr 1800 erfolgte die Neugründung, doch Mitte der 1830er Jahre wurde die Gesellschaft wieder aufgehoben (Rozycki 1946, S. 117).

Texte édité


Wir, schulthais unnd raͤte zuͦ WinterthurLieu : Organisation : , tuͦnd kund mengklichem mit disem briefe:
Nach dem zwu̍schen den frommen unnd ersamen gemeinen gesellen der geselschafft alhie uff der obertrinckstubenOrganisation : , u̍nnsern lieben mitburgern, ettwas irrung unnd zweyung sich erhept hāt von
deswēgen, das die schmidOrganisation : , zimerlu̍t, wagner unnd ander, in ir kertzenrecht verwandt, an einem teil vermeinten gewalt ze haben,
alle ander in u̍nnser statt wonende, so die gemelten ir glich handwerck von ir begangenschaft wēgen uͦbten, das sy die selben zuͦ ir kertzenrecht und ander verpintlichait, damit sy der genannten stuben verbunden wēren, ze noͤten hetten, soͤlch ir kertzen und stuben recht glich
wie sy by inen ze kouffen schuldig sin und daran von den andern gesellen der bedāchten stuben nit geirrt werden soͤlten, angesaͤhen, das sy
hiedurch ire handwerck dester bāß und in mer ordnung gehalten moͤchten etcAbréviation.
Dargegen aber die metzgerOrganisation : , brotbeckenOrganisation : unnd ander uff der obgemelten stuben, in ir kertzen recht gehoͤrende, am andern teil vermeinten, das die obgenannten schmidOrganisation : , zimerlu̍t, wāgner unnd
ir mithafften, in ir kertzen verwandt, nit gewalt haben soͤlten, dheinen gesellen irs handwercks in die obgenanten ir gemeinen gesellschafft fu̍r sy selbs anzenēmen ōn iren gunst unnd willen. Dann allein die selben irs handwercks ze noͤten, ir kertzen recht an sich ze kouffen,
darin taͤtten sy inen nichtzit reden. Aber ferer gerechtikait ir gemeinen stuben halb inen ze geben, verhofften sy nit, das sy soͤlchs ōn iren
gunst tuͦn, sonder sy by irer gerechtikait, wie sy dann die vornaͤher ein, als sy zuͦ inen von ir stuben in ir geselschaft kommen, gehept haben und
inen ouch das von schulthaiß unnd raͤten zuͦ WinterthurLieu : Organisation : vormals guͤtlich nachgelaͤssen, beliben laussen soͤlten etcAbréviation.
Uff das ouch die andern stubengesellen, so dhein kertzen recht, sonder der obgenannten stubengeselschaft von alterher von iren altvordern ererbt hānd, am
dritten teil vermeinten, das sy von den obgeruͤrten handwercklu̍ten unnd allen andern, so dann kertzen recht und uff die gemelten stuben
verwandt sind, an allen iren rechten, alt gewonhaiten unnd herkommen gantz ungeirrt geruͤwig beliben laussen soͤlten mit aller gewaltsami, wie dann ire altvordern das uff der gemelten stuben gehapt unnd ouch das von inen ererbt unnd bitzher in bruch und uͤbung
gehept haben etcAbréviation.
Derselben irrung unnd zweyung, wie dann die an inen selbs gewēsen, sy zuͦ allen teiln zuͦ guͤtlichem entscheid fu̍r u̍nns kommen sind.
Unnd als wir sy zuͦ allen siten gnuͦgsamklich verhoͤrt unnd daruff ursachen zuͦ u̍nnser guͤtlichen erkantnuß gesetzt haben, so haben wir sy zuͦ
allen teiln obgeruͤrter ir spenn unnd zweyung mit allem anhang, was die beruͤren, fru̍ntlich unnd guͤtlich betrāgen unnd vereinbart
in māssen hernach volgende:
Dem ist also, das die obgenannten schmidOrganisation : , zimerlu̍t, wagner unnd ir mithafften, so in ir kertzen recht
verfasset sind, fu̍rohin allwēgen von inen sechsQuantité : 6 erber mann, desglichen die obgenannten metzgerOrganisation : , brotbeckenOrganisation : , mu̍ller unnd ander ir zuͦgewandten ir kertzen recht habende ouch sechsQuantité : 6 erber mann us inen selbs erkiessen unnd erwoͤllen, demnach die selben zwoͤlfQuantité : 12 mann, namblich
yederteil fu̍r sich selbs, gewalt haben soͤllen, einQuantité : 1 erber mann von den gesellen, so uff der gemelten stuben dhein kertzen recht unnd sunst von
alterher ir stuben recht erblich haben, zuͦ erwoͤllen. Fu̍r die selben viertzehenQuantité : 14 mann dann alle geschaͤfft unnd ehaͤfftig sachen geprācht unnd getrāgen werden, es sige von annēmung ander stubengesellen oder von buͦwen unnd gemeinlich allem dem, so gemeine stuben unnd geselschaft beruͤrt, die ouch alsdann by iren eiden schuldig sin soͤllen, uff soͤlch sach unnd geschaͤffte, so fu̍r sy geprācht wirt, sich zuͦ erkennen, das erlichest
unnd redlichest, so sy dann ye zuͦ ziten nach gelegenhait der sach fu̍r gemeine geselschaft das nutzlichest beduncket nach iren besten verstentnuß,
niemand zuͦ lieb noch ze leid, ōn gevērde.
Unnd was also von den selben viertzehenQuantité : 14 mann gemeinlich oder dem merenteil under inen erkennt
wurde, by soͤlcher erkantnuß soͤllen die obgenannten parthyen unnd gemein stubengesellen ōn alle wēgrung unnd intrāg beliben
unnd sunst dhein teil von der obgeruͤrten gemeinen geselschaft, samend noch sonderlich, fu̍r sich selbs ōne der obgenannten viertzehenQuantité : 14 mannen
erkantnuß gantz nichtzit handlen.
Unnd ob sich fuͦgti, das die bedāchten viertzehenQuantité : 14 mann in soͤlchem irem erkennen zweyg wurden, also das
die sibenQuantité : 7 mann ein sonder meinung unnd die andern sibenQuantité : 7 mann ouch ein ander sonder meinung hetten, alsdann sol allwēgen ein schulthais unnd
raͤte zuͦ WinterthurLieu :
Organisation :
als die oberhand gwalt haben, sy umb soͤlch zweyung zuͦ entscheiden. Unnd woͤlche meinung sy fu̍r die besser erkennen, darby sol es
aber beliben.
Doch so mu̍gen die gemeinen gesellen die vierQuantité : 4 stubenmeister, desglichen den stubenknecht mit der meren hand, wie bitzher in gewonhait gewēsen ist, erwoͤllen. Unnd soͤllen also hiemit zuͦ allen teiln obgeruͤrter irrung unnd spenn mit allem anhang, was die beruͤren,
gaͤr unnd gentzlich betrāgen unnd verricht, ouch aller unwill, so sich dann mit worten oder wercken, heimlich oder offenlich, zwu̍schen inen erlouffen
hetten, gantz tod unnd absin, sonder fu̍rohin guͦte geselschaft unnd alle fru̍ntlichait, als stubengesellen gezimpt, einandern bewisen unnd by
disem u̍nnsern guͤtlichen spru̍ch yͤtz unnd hienach zuͦ ewigen ziten geruͤwig beliben, als sy dann das zuͦ allen teiln durch ire verordneten
stubengesellen unnd vollmechtig botten fu̍r sy unnd ir ewig nachkommen vor u̍nns an geschworner eid statt ze halten und ze tuͦnd gelopt hōnd,
geverd unnd argliste hierinne gentzlich abgescheiden.
Unnd als ouch die obgemelten gemein stubengesellen vormals ettlich ordnung under inen
selbs ze halten in zweyenQuantité : 2 bermenti roͤdel gestelt unnd vornāher geprucht haben, by soͤlcher ordnung unnd roͤdeln, vorbehalten obgemelte maͤssigung
und u̍nser guͤtliche erkanntnuß, wir aber das beliben laussen, sich derselben ordnung fu̍rohin wie bitzher zuͦ gepruchen.
Doch so haben wir fu̍r u̍nns unnd
u̍nser nachkommen von oberkait wēgen hierinne u̍nns selbs vorbehalten, dise obgeruͤrte u̍nnser guͤtliche erkantnuß unnd vertrāg zuͦ sampt den ordnungen
mit allen puncten unnd artiklen, in den bestimbten roͤdeln vergriffen, fu̍rohin ze mindern, ze mēren oder gantz abzetuͦnd, wie dann soͤlchs ye zuͦ ziten
fu̍r u̍nns unnd gmeine u̍nnser statt wir unnd u̍nnser nachkommen erkanten, das beste und nutzlichest ze sin, dāran von den obgeruͤrten stubengesellen, allen iren nachkommen unnd mengklichem andern von irtwēgen ungesumpt unnd ungeirrt.
Unnd des alles zuͦ offem,
wārem urkund unnd guͦter sicherhait so haben wir, schulthais unnd raͤteOrganisation : obgenannt, u̍nnsers rautzOrganisation : gemein insigel, u̍nns unnd u̍nnsern
nachkommen an aller oberkait unnd gewaltsami gantz unvergriffen, getān hencken an disen briefe.
Geben unnd beschaͤhen an mentag
vor sant ThomasPersonne : tag, des hailgen zwoͤlfbotten, nach Cristi gepu̍rt viertzehenhundert nu̍ntzig unnd dru̍ jāre.
Date : 16.12.1493
[fol. v]Saut de page
[Note dorsale au verso :]
OberstubenOrganisation :
[Note dorsale au verso par une main du XVIIIe siècle :]
Spruch brief von schultheis und rath zu WinterthurLieu : Organisation : zwischen
der zunfft und handwerksgenoßen auf der oberstubenOrganisation :
um einige mißhellung und spän,
a anno 1493Date : 1493

Annotations

  1. Ajout à la hauteur de la ligne par une main du XIXe siècle : 16 DecDecemberDate : 16.12.1493.