check_box zoom_in zoom_out
SSRQ ZH NF I/1/3 4-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), par Michael Schaffner

Citation : SSRQ ZH NF I/1/3 4-1

Licence : CC BY-NC-SA

Neuordnung der Zins- und Zehntgerichtsbarkeit der Stadt Zürich

1460 mars 10.

Bürgermeister, Kleiner Rat, Zunftmeister und der Grosse Rat der Stadt Zürich beschliessen eine Neuordnung der Zins- und Zehntgerichtsbarkeit. Diese soll künftig durch einen weltlichen, von der Stadt ernannten Richter mit zwei Beisitzern versehen werden, unter Abschaffung der bisherigen geistlichen Gerichtsbarkeit. Hinsichtlich des Betreibungsverfahrens von Zins- und Zehntschulden werden folgende Punkte näher geregelt: Festlegung der Löhne und Schreibertarife der Richter sowie der Löhne der Gerichtsknechte bei Eingewinnerverfahren in der Stadt und auf der Landschaft; Verteilung der Verfahrenskosten; Pfändung und allenfalls Versteigerung der Fahrhabe, bei Bedarf auch des liegenden Besitzes des Schuldners; Vorladung der Parteien vor Gericht bei Bestreitung der Schuld; Verbannung im Fall von Zahlungsunfähigkeit; Strafandrohung bei Ungehorsam; Zugang zu anderen weltlichen Gerichtsinstanzen; Regelung für fremde Zins- und Zehntbezüger; Aufhebung von bestehendem Kirchenbann; Eid sowie Rechtsstellung der Richter und der Gerichtsknechte; Verpflichtung auch von geistlichen Gläubigern zur Nutzung des weltlichen Zins- und Zehntgerichts.

Von der vorliegenden Ordnung ist ein unvollständiger Entwurf überliefert, in dem Heinrich StapferPersonne : als Zinsrichter genannt wird (StAZH A 43.1.1, Nr. 13). Damit dürfte es sich bei dem während der 1450er Jahre als Richter am StadtgerichtOrganisation : nachweisbaren StapferPersonne : um den ersten Inhaber dieses Amtes gehandelt haben (Bauhofer 1936, S. 33). Zusätzlich liegt eine Abschrift des Jahres 1497 vor, welche die Namen des Zinsrichters und der Beisitzer enthält (StAZH A 43.1.1, Nr. 11).

Die Gerichtsbarkeit in Zins- und Zehntfragen ist zu unterscheiden von den Betreibungsverfahren bei einfachen Geldschulden einerseits, bei Mietschulden und Renten auf Stadthäusern andererseits (vgl. dazu die Ordnung des Betreibungsverfahrens aus dem Jahr 1520, SSRQ ZH NF I/1/3 113-1). Wegen Schulden aus Zinsen und Zehnten konnte bis zum Erlass der vorliegenden Ordnung beim OffizialgerichtOrganisation : des Bischofs von KonstanzLieu : geklagt werden. Indem der RatOrganisation : diese Möglichkeit nun ausdrücklich ausschloss, beanspruchte er die alleinige Kompetenz in einem vormals unter die geistliche Gerichtsbarkeit fallenden Rechtsbereich. Vergleichbare Entwicklungen vollzogen sich hinsichtlich des Aufsetzens letztwilliger Verfügungen sowie in ehegerichtlichen Fragen (SSRQ ZH NF I/1/3 7-1; SSRQ ZH NF I/1/3 56-1).

Zur vorliegenden Ordnung vgl. Malamud/Sutter 1999, S. 108-109; Gilomen 1995, S. 380; zum Übergang der Zins- und Zehntgerichtsbarkeit von der geistlichen in die weltliche Gerichtsbarkeit vgl. Dörner 1996, S. 191-192; Morf 1970, S. 171-174; Bauhofer 1936, S. 32-35.

Texte édité

Wir, der burgermeister, die raͤt, die zunffmeister und der groß ratt, den man nempt die zwey hundert, der statt Zu̍richLieu : Organisation : , tuͦnd kunt allermenglichem, als bißhar zinß unnd zechenden mit geistlichen richtern ingezogen wordenn sindt, das wir da einen weltlichenn richter, durch den zinß unnd zechenden ingezogenn werdenn sollennt oder in ander wege, wie das hienach von einem an das ander geschriben staͧt und fu̍rer nit mer mit dem geistlichem gerichteOrganisation : .
Das ist also, das einer uß unns verordnet werdenn, der der weltlich richter weͣsenn unnd von unns den gewallt haben sol, wer zuͦ im kumpt unnd begert, im sin usstennden, gefallnen zinse unnd zechenden inzuͦgewu̍nnet, es sye in unser statt oder in allen a unnsern gerichten unnd gepietten, das der selb, so ingewu̍nnens begert, dem jetzgenanten richter von jeglicher personn iiij ₰Unité monétaire : 4 deniers geben und der richter denn das inschriben unnd der knechten einen, die im zuͦgeordnet sint, bevelchenn sol, das inzuͦgewu̍nnen. Unnd das der knechten lon in der statt von einem ingewu̍nnen wesen sol iiij ₰Unité monétaire : 4 deniers unnd vor der statt von einer mileMesure de longueur : 1 mille viij ₰Unité monétaire : 8 deniers unnd soͤlich gelt geben werdenn, e das inschriben oder das ingewu̍nnen bescheͣche unnd der richter allwegen in acht tagenPériode : 8 jours das, so er ingeschrifft haͧt, schaffen ingewunnen zuͦ werdenn, in der statt und davor.
Wer gichtig ist, das der pfannd gebe, die des zinses oder zechendes weͣrt syennt, ob er die haͧt. Unnd wirt der kleger in den acht tagenPériode : 8 jours benuͤgig gemacht, so sol er den lon unnd costen an im selbs haben. Beschicht aber das nit, so sol der schuldner soliche unnd andren costenn unnd lon allen, so uff die sach gan wirdet, abtragenn. Unnd ist der zinß oder zechent ein mu̍t kernnMesure de volume : 1 muid épeautre , ein eimer winMesure de volume : 1 setier vin , ein maͧlter haberMesure de volume : 1 malter avoine , ein pfund hallerUnité monétaire : 1 livre und darunder, des sye wenig oder vil, pfenning, waͧchs, huͤnr, eyer, denn jegklichs sin nammen haͧt, so sol der, so das schuldig ist unnd das nit gewert und geben haͧt, uff die zyt unnd tag, als er das schuldig gewesen ist unnd der richter im darumb von des clegers begerung wegenn [p. 2]Saut de page knecht schickt inzuͦgewu̍nnen und den erstenn obgenanten lon unnd allenn andren lon unnd costenn, so daruff gaͧt, dem cleger mit dem, so er im schuldig ist, geben, on widerrede oder imm sol darumb von dem richter beschechenn unnd ingewunnen werdenn, zuͦ glicher wyse, als umb zinss unnd zechennden. Unnd was daruff gaͧt, sol er ouch geben, was aber ob den obgeschribnen gestimpten stu̍ckenn ist, daby sol es gehanndellt und gethan werden, ouch wie obstaͧt.

Were ouch, das jemandt siner zinsen und zechennden halb, sovil daran unnd die in der wyse oder so verr werennt gelegenn, das der richter nit sovil personen an dasselb ennd hette inzuͦgewunnent, das es den costenn getraͧgen moͤchte, begert denn der cleger von dem richter, imm an dasselb ennd siner zinsenn oder zechennden halb einich knecht zuͦ schiken unnd inzuͦgewu̍nnen, das sol der richter thuͦn unnd von einer milMesure de longueur : 1 mille den knechten ij Unité monétaire : 2 sous/sols zuͦ lon geben, ouch in dem rechten, als ob staͧt. Ob der schuldner denn den kleger by dem erstenn ingewu̍nnen benuͤgig macht, das der cleger den lon an im selbs haben sol, wie aber das nit beschicht, so sol es daby, als vor staͧt, belibenn.

Und soͤlliche pfannd, es syennt varende oder ligende, ob nit varende pfannd da waͤrent, ußgenommen essende pfannd in dem gericht, da si sind unnd ingewunnen werdennt, acht tagPériode : 8 jours in desselben gerichtz gewallt ligenn soͤllennt. Unnd wirdet der, dem ingewunnen [p. 3]Saut de page ist, von dem schuldner in den selben acht tagenPériode : 8 jours nit abgetraͧgen umb sin usstennden zinß oder zechenden, das denn darnach der knecht, so ingewunnen hat, dieselben varenden pfande uff der pfannden schaden harin in die statt vertigenn, die uff der BruggLieu : verkoͧffenn und den umb sin zinß oder zechennden ußrichtenn sol, ob er sovil daraͧb geloͤßt hat. Hat er aber nit sovil darab geloͤßt, so sol er fu̍rer pfannd nemmen, die verkoͧffenn, als lanng, untz das der, dem man zinse oder zechendenn schuldig ist, mit sampt dem costenn, so daruff gaͧt, bezallt wirt.

Und die essenden pfannd sol der knecht von stund an ouch in die statt fuͤrenn, die ruͤffenn lassenn und verkoͧffenn unnd damit thuͦn, wie obstaͧt. Unnd dwyle die knecht varennde pfannd vindent, so soͤllennt sy nit ligennde pfand nemmen.

Wo ouch ligennde pfannd werdent genommen, die soͤllent nach den acht tagennPériode : 8 jours uff unser statt gant verruͤfft, verkoufft unnd die zinß oder zechennden bezallt werdenn.

Welich aber nit gichtig sin wellennt, dem selben sol der knecht, dem das begegnet, einen tage fu̍r den obgenanten richter in acht tagennPériode : 8 jours setzenn, uff denn vor dem richter unnd den zweyenQuantité : 2, die im zuͦ geben sindt, zuͦ sinde, und werdennt die gichtig gemacht unnd umb wie vil, das [p. 4]Saut de page inen darumb in obgeschribner maß ingewunnen werden sol.

Unnd welich nit gichtig gewesenn sindt unnd fu̍r den richter unnd die zwenQuantité : 2 uff den gesetzten tag nit komendt, das die selben gichtig gemacht sin soͤllent unnd inen ingewunnen werdenn, als obstaͧt. Es sye denn, das dieselbenn vor dem richter und den zweyenQuantité : 2 soͤllich sachen fu̍r wendent, die sy gesumpt habent, das den richter unnd die zwenQuantité : 2 bedunkt, das sy das billich davor schirmen soͤlle.

Unnd welich gichtig sindt oder gichtig gemacht werdent unnd nit pfannd habennt zuͦ geben, wenn denn die, denen sy zinse oder zechenden schuldig sindt, des von dem richter begerent, so sol der richter sy durch die knecht heissenn schweren, in einem manotPériode : 1 mois von unser statt unnd uß allen unnsern gerichten unnd gepietten zuͦ gand unnd darin nit mer zuͦ komen, bis das sy sollichs usgerichtent oder an den schuldnern inen wider harin zuͦ erlouben haben moͤgennt.

Welich aber nit sweren oder hinweg b gand unnd ungehorsam sin wellent, die sol der obgenant [p. 5]Saut de page richter unns ingeschrifft antwurten, die wellent wir umb ir ungehorsame straͧffen, als unns je nach gestallt unnd gelegenheit der sach bedunckt.

Wil ouch jemant darzuͦ die u̍bernu̍tze und unnderpfannd angriffenn, das mag er uff unnser statt gant wol thuͦn, und das, so daruff gaͧt unnd es also costet, soͤllent die usrichten, von dero wegenn es uff geloͧffen ist, so verr das hinder inen funden werdenn mag.

Wo aber hinder sollichen unnd an dem iren nit funden wirt, das der genant richter unnd die knecht von denen, in dero namen das uff geloffenn weͣre, ab getragen wurdent, doch allso ob sy darnach das von denselben, die es geben haben soͤllent, inbringen, das sy das wol tuͦn moͤgent.

Wil ouch jemant sin zinse oder zechenden mit angriffen siner underpfannden mit unnserm gerichteOrganisation : in der statt ald mit ratschriben oder mit den rechten, da die zinse unnd zechennden gefallen sindt unnd die ansprechigenn sitzennt, lieber denn vor dem obgenanten richter unnd in obgeschribner maͧß inziechenn, das mag man wol thuͦn.

Es soͤllennt ouch geistlich unnd weltlich in unser statt unnd in allenn unnsern gerichten unnd gepieten ir zinse unnd zechennden allso, wie obstaͧt, inziechenn.

[p. 6]Saut de page

Die froͤmbden, so zinß unnd zechennden in unnsern gerichten unnd gepieten habent, soͤllent die ouch in obgeschribner maͧsse inziechenn. Und ob sy daru̍ber geistliche gericht bruchtent, das denn inen das ir von dem, die mit dem geistlichen gericht von inen beku̍mbert wurdent, in hafft unnd gepott gelegt werden sol, bis das sy entschediget werdent.

Wie ouch jederman sin hoͤffe und guͤtter hinlicht unnd mit was gedingen, die soͤllent dabi von uns geschirmt werden, als das uff unnser statt buͦch geschribenn staͧt.

Und wer jetzo zuͦ bann praͧcht ist, der sol sich uss dem bann loͤßen und den, der inn darin gethan hat, unnd ouch den procurator abtraͧgen.

Wer ouch fu̍r den richter unnd die zwenQuantité : 2 in obgeschribner maͧsse zuͦ recht kumpt, welicher teil da unrecht gewu̍nnet, der sol dem andern teil, der recht gewunnen haͧt, den costenn unnd schadenn, den er der sach halb empfangen haͧt, ablegenn, nach des richters unnd der zweyenQuantité : 2 erkantnu̍ß.

Wenn ouch der zweyenQuantité : 2 einer oder sy beid, die dem richter zuͦgeben sindt, in der statt sindt, so sol [p. 7]Saut de page ein burgermeister dem richter ander an ir statt geben, die mit im umb die sachen, so denn fu̍r sy komment, recht sprechenn soͤllennt, als sy ir eid unnd ere wiset.

Der richter unnd die knecht habent ouch gelert eide zuͦ gott unnd den heilligen geschworn, richen unnd armen glich unnd gemein zuͦ sint unnd dem, wie obgeschriben staͧt, getru̍wlich unnd ungevaͤrlich, so verr sy moͤgent, nachzuͦgand unnd darumb den obgenanten lon, der inen geschoͤpfft ist, zuͦ nemmen und dhein ander miet, on geverde.

Unnd als die geistlichen bißhar ir schulden mit geistlichen richtern ingezogen hand, die soͤllent nuͦn hinfu̍r ir schulden ouch nach unnser statt recht, wie wir das von einandern inziechent, inziechen unnd nit mit dem geistlichem gerichte.

Es sol och nieman des richters knecht pfannd versagen noch dem richter unnd den knechten dhein unzucht erbietten, mit wortenn oder weͣrken. Unnd welich annders tuͦnd, die wellent wir darumb hertencklich an lib unnd an guͦt straffenn. Darnach wu̍sse sich menglich zuͦ richten.

Man sol ouch dem richter unnd den knechten ir red unnd wortenn, so sy denn umb je die sach harinn sagent, anred unnd gichtig sind, geloben on ander kuntschafft unnd zu̍gnu̍sse.

Und ist dis beschechenn uff den zechenden tag des manots mertzen anno domini quato lxoDate : 10.03.1460.

[p. 8]Saut de page

Annotations

  1. Suppression par grattage : in.
  2. Suppression : nit.