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SSRQ ZH NF II/3 105-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 3: Die Landvogtei Greifensee, par Rainer Hugener

Citation : SSRQ ZH NF II/3 105-1

Licence : CC BY-NC-SA

Verbot von Winkelwirtschaften in der Herrschaft Greifensee

1708 août 23.

Statthalter Hans Heinrich Hirzel und beide Räte der Stadt Zürich behandeln eine Klage der ehaften Wirte der Herrschaft Greifensee, vertreten duch Amtshauptmann Heinrich Pfister aus Greifensee, Hans Konrad Weber aus Gfenn, Hans Bachmann aus Fällanden, Jakob Briner und Hans Konrad Berchtold aus Kirchuster gegen Martin Fischer aus Nänikon und die Abgeordneten der Gemeinde Nänikon. Die Wirte verlangen, dass jegliche Winkelwirtschaften verboten werden. Martin Fischer vertritt demgegenüber die Meinung, dass er vorrätigen Wein saum- oder eimerweise verkaufen dürfe. Die Gemeinde Nänikon bittet ihrerseits darum, dass ihr Zapfenwirt in seinem Recht geschützt werde. Nach Anhörung der Parteien entscheidet der Rat, dass die ehaften Wirte durch ihre Tavernengerechtigkeiten vollumfänglich geschützt seien und alle Winkelwirtschaften geschlossen werden müssen. Das saum- oder eimerweise Verkaufen von Wein wird verboten. Der Zapfenwirt von Nänikon darf Wein nur noch per Mass oder Kopf verkaufen und niemanden beherbergen. Der Vogt von Greifensee, Hans Heinrich Lochmann, soll die fehlbaren Winkelwirte bestrafen, die ehaften Wirte für ihre Kosten entschädigen und fortan streng auf die Umsetzung dieses Verbots achten.

  • Cote : StAZH B II 703, S. 51-52
  • Date : 1708 août 23
  • Tradition : Eintrag
  • Support d’écriture : Papier
  • Dimensions l × h (cm) : 11.0 × 34.0
  • Langue : allemand

Gewandelte Vorstellungen bezüglich Sittlichkeit und Moral führten dazu, dass die Zürcher ObrigkeitOrganisation : nach der Reformation vermehrt auch Regelungen betreffend Wirtshäuser erliess, um allzu auschweifende Formen der Geselligkeit, des Essens und Trinkens, aber auch des Tanzens und Spielens zu unterbinden. Umfassend geregelt wurden diese Punkte im Grossen Mandat von 1530, welches festlegte, dass es neben den obrigkeitlich konzessionierten, ehaften Tavernen oder Gasthäusern keine Winkelwirtschaften geben dürfe. Den ehrbaren Leuten in Weinbaugebieten sollte es jedoch gestattet sein, ihren eigenen Wein ab dem Zapfen zu verkaufen, solange sie keine Gäste beherbergten oder verpflegten (SSRQ ZH NF I/1/11 8-1). Bezugnehmend auf dieses Mandat gelangte am 1. August 1530 die Gemeinde NänikonLieu : Organisation : an den Rat, um für Hans DenzlerPersonne : die Konzession zu erlangen, im Dorf eine Wirtschaft mit Speise und Trank zu führen, was ihm gestattet wurde (StAZH A 123.1, Nr. 115). Weitere offiziell anerkannte Gasthäuser gab es im Städtchen GreifenseeLieu : , in UsterLieu : , FällandenLieu : , GfennLieu : , MaurLieu : und EbmatingenLieu : sowie in den Exklaven SchalchenLieu : und NeubrunnLieu : . Daneben hatte sich der Vogt von GreifenseeLieu : immer wieder mit Winkelwirtschaften zu beschäftigen, deren Betreiber Wein ausschenkten, ohne über eine Konzession zu verfügen. So musste er dem Zürcher RatOrganisation : 1567 anlässlich eines Konflikts mit der Gemeinde KirchusterLieu : Organisation : über den Einzug davon berichten, dass es in UsterLieu : neben den drei ehaften Tavernen noch fünf Winkelwirtschaften gebe, wo Tag und Nacht Betrieb herrsche, worauf der Rat umgehend deren Schliessung anordnete (StAZH A 123.3, Nr. 3; StAZH B II 139, S. 38-39). Auch die Weinschenke in NänikonLieu : war zwischenzeitlich infolge eines Streits unter den Wirten geschlossen worden, weswegen die Gemeinde 1630 an den Zürcher RatOrganisation : gelangte (StAZH A 123.4, Nr. 119). Der Rat willigte ein, dass die Gemeindegenossen jemanden aus ihrer Mitte zum Weinschenken wählen und zwei ehrliche Männer bestimmen, die den Wein schätzen und taxieren sollen (StAZH B II 391, fol. 33r-v). Als demgegenüber 1640 die Gemeinde HegnauLieu : Organisation : den Rat um Bewilligung einer Weinschenke wie in NänikonLieu : ersuchte, wurde dieses Begehren abgewiesen mit der Begründung, dass es in den umliegenden Ortschaften bereits genügend Wirtshäuser gebe (SSRQ ZH NF II/3 95-1).

Mit dem hier edierten Stück wurde im Sommer 1708 erneut ein Versuch unternommen, sämtliche Winkelwirtschaften in der Herrschaft GreifenseeLieu : zu schliessen und den unbeaufsichtigten Weinhandel zu unterbinden. Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung, bei der es gemäss den Schilderungen des Vogts fast zu Totschlag gekommen wäre, nachdem er versucht hatte, den Weinhandel unter Strafe zu stellen (StAZH A 123.6, Nr. 174).

Texte édité


Donnerstags, den 23ten augustiDate : 23.08.1708,
prntbpresentibus herr statthalter HirtzelPersonne :
und beyde rätheOrganisation :


In der streithigkeit entzwischen ammtshaubtmann Heinrich PfisterPersonne : von GreyffenseeLieu : , Hanß Conrad WäberPersonne : im GfännLieu : ,
Hanß BachmannPersonne : von FällandenLieu : , Jacob
Breyner
Personne :
von Kilch-UsterLieu : und Hanß Conrad BerchtoldPersonne : , auch von daselbst, in ihrem
und überiger ehehaffter wirthen der
herrschafft GreyffenseeLieu : nammen an einem, danne Martin FischerPersonne : von nikhonLieu : an dem anderen und einichen
abgeorderten der gemeind NänikhonLieu : Organisation :
an dem dritten theil, betreffende,
daß die ehehaffte wirthe sich ab denenLecture incertainea
je mehr und mehr zu ihrem grossen
nachtheil einreyssenden winkhel-wirthschafften ernstlich beklaget und umb
derselben abschaffung trungenlich angehalten, der Martin FischerPersonne : vermeinen wollen, es ihme wol erlaubet
seye, den dann und wann einlegenden
wein wiederumb zu saumen oder eymeren weyß hinweg geben zumögen,
und drittens die gemeind NänikhonLieu : Organisation : gebetten, ihren bewilligeten zapfen-wirth
bey seiner befugsamme zu schützen.
Ward
nach anhörung der partheyen vor- und
wieder bringens in erdauhrung der sachen
bewandnus einhellig erkennet, daß
die ehehaffte wirthe in der herrschafft
GreyffenseeLieu : bey ihren tavernen-gerechtigkeiten, brieff und siglen bestens
geschützet und geschirmet, folglich alles
winkhel-wirthen in dem gantzen ammt
abgekennet, alles verkauffen des
weins, der einem nicht selber wachsst,
es seye zu saumen, eymeren, tansen
oder bey der maß, gäntzlich verbotten
seyn, der sich selbst wachsende wein
nicht anderst als bey dem zapfen ausgeschenkhet und niemand gesetzet werden, der zapfen-wirth zu NänikhonLieu :
seinen wein nicht anderst als bey
dem zapfen zu maassen und köpfen
ausschenkhen und niemand beherbergen
b–oder setzenAjout au-dessus de la ligne–b, herr landtvogt LochmannPersonne : 1 zu Greyffen[p. 52]Saut de pageseeLieu : die, bis hiehar mit winkhel-wirthen
sich fehlbar erzeigete, je nach befindenden dingen abstraffen, denen wirthen an ihre gehabte kösten das billiche sprechen und auff diesere mrghrnmeiner gnädigen herren
erkanntnus fleissig vigiliren solle.

Annotations

  1. Lecture incertaine.
  2. Ajout au-dessus de la ligne.
  1. Hans Heinrich LochmannPersonne : (im Amt 1704-1710, vgl. Dütsch 1994, S. 112).