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SSRQ SG III/4 139-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, XIV. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, Dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte, Band 4: Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft Hohensax-Gams, par Sibylle Malamud

Citation : SSRQ SG III/4 139-1

Licence : CC BY-NC-SA

Das Werdenberger Niedergericht urteilt zwischen Fridolin Spiess aus Grabs und Uli Bock einerseits und Hans Gullys Witwe andererseits wegen einer Schuld

1570 octobre 13.

Der Werdenberger Landammann Johannes Tischhauser als vorsitzender Richter des Niedergerichts urteilt im Streit zwischen Fridolin Spiess aus Grabs, Vormund des Kindes des verstorbenen Mattäus (Dewis) Liederlich, und Uli Bock als Kläger einerseits und der Witwe von Hans Gully als Beklagte andererseits.

Fridolin Spiess und Uli Bock klagen, der verstorbene Hans Gully sei der Vormund des Kindes von Liederlich gewesen und schulde dem Mündel fünf bzw. sechs Gulden. Die Erben des Hans Gully sollen diese Schuld bezahlen.

Die Witwe von Hans Gully antwortet, ihr verstorbener Mann habe viele Vormundschaften übernommen und schulde niemandem etwas. Aber die beglichene Schuld sei vom Schreiber Hüttler krankheitshalber nicht rechtzeitig in die Rechnung eingetragen worden.

Auf Begehren beider Parteien wird Kundschaft aufgenommen.

Die Mehrheit urteilt, die Erben von Gully sollen dem Kind die Schuld bis St. Michael (29.9.) bezahlen. Das Minderurteil lautet, dass man mit dem Urteil bis St. Michael (29.9.) warten solle. Da die Schuld bis zum vereinbarten Termin nicht bezahlt wurde, sagt die Beklagte unter Eid aus, dass sie nichts schulde. Die Richter glauben ihr.

Die Beklagte appelliert das Urteil dennoch an das Landvogtgericht. Dies wird gestattet. Das Urteil wird dem Landvogt nach frühestens 14 Tagen bzw. spätestens drei Wochen übergeben.

Der Aussteller siegelt.

  • Cote : LAGL AG III.2409:098
  • Ancienne cote : LAGL IVa.c:7
  • Date : 1570 octobre 13 (vier zechen tag nach sant Michels tag)
  • Tradition : Original (Doppelblatt, 3 Seiten beschrieben)
  • Support d’écriture : Papier
  • Dimensions l × h (cm) : 21.5 × 33.0
  • 1 sceau :
    1. Landammann Thomas TischhauserPersonne : , sceau sous papier, rond, pressé, bien conservé
  • Langue : allemand

  1. Folgendes Urteil dient als Beispiel eines GerichtsverfahrensTerme : in WerdenbergLieu : , in dem ein Urteil des NiedergerichtsTerme : innerhalb einer FristTerme : zwischen zwei und drei Wochen an den LandvogtTerme : appelliert wird.

    Weitere AppellationenTerme : an den Landvogt von Werdenberg (16.–17. Jh.Date : 1501 – 1700): StASG AA 3a U 26; PA Hilty Mappe Sevelen (09.11.1605; 05.10.1618); PGA Buchs U 05 A-1; U 08-1; OGA Grabs O 1674-1; O 1697-1; LAGL AG III.2409:101; FA Berger 86.00.43, Wege (30.06.1699).

  2. Ein vom Landvogt gefälltes UrteilTerme : kann weiter nach GlarusOrganisation : appelliert werden, vgl. OGA Grabs O 1644-1; PGA Buchs U 08-1; StASG AA 3a U 39; PGA Buchs U 27. Zum Appellationsverfahren vgl. Beusch 1918, S. 58–60; Winteler 1923 , S. 85–86, 88.

  3. Zu Appellationen in Sax-ForsteggLieu : vgl. SSRQ SG III/4 120-1; SSRQ SG III/4 241-1; in Hohensax-GamsLieu : vgl. SSRQ SG III/4 59-1, Art. 50; SSRQ SG III/4 94-1, Art. 4; StASZ HA.IV.404, Nr. 55.

Texte édité

Ich, Johannis TyschhusserPersonne : , der zitt amanTerme : zu WerdenbergLieu : , bekenn offentlich mit dysem brieffe, das ich uff hütt datto uß geheiß und mit vollem gwalt des fromen, ernvesten und wysen Gebhart HeitzenPersonne : , des raths zu GlarusLieu : und dyser1 zit miner gnädigen herren von GlarisOrganisation : landtvogt der graffschafft Werdenberg unnd der herrschafft WartouwLieu : etcAbréviation, mines gnädigen herren, ein fry, offen, verbanen grichtTerme : gehalten unnd besässen hab, alda für mich und offen gericht kommen und erschinen ist der erbar Fridli SpiesPersonne : von GrapßLieu : als einer recht gebner vogtTerme : Dewis LyederlichsPersonne : selligen kindTerme : sampt Ulli BochennPersonne : als die cleger an einem, so dan Hanns GullisenPersonne : selligen frowPersonne : 2 anders teills, welche sych gägen ein andern nach form rechtens ferfürsprechet.
Lyessend innen die ehrn lütt Fridli SpiesPersonne : und Ulli BochPersonne : in zrecht tragen, das Hans GullißPersonne : sellig sige Dewis LiederlichsPersonne : kindsTerme : vogt gsin, habe er des kinds einer gantzen früntschafftTerme : rechnigTerme : geben, sige gedachter Hans GullisPersonne : dem kind etwas bessern dan fünff guldyUnité monétaire : 5 florins by rechnig schuldig blyben. Des glichen sige gedachter Ulli BochPersonne : by dem Hans GulisenPersonne : , wie er do in achtagenPériode : 8 jours sige gstorben gsin, do habe Hans GulißPersonne : zurCorrigé de : zuea im gret, das kind hatt sechs guldyUnité monétaire : 6 florins im seckelTerme : . Unnd die wyll dan gedachter Hans GullisPersonne : solches sol grett han, so söllend sine b erbenTerme : oder sin frouwTerme : anstonTerme : und sy oder das kindTerme : umb die sumTerme : uß richtenTerme : . Wo sy das nit thun wellend, so setzend sy das zu recht. Ob sy das nit byllich ußrichtind, den wo man der gschrifftTerme : des glichen derren biderben lüten, die by der rechnig gsin, nit glouben wette, könnte füro hin keiner mer eines kinds fogt sin etcAbréviation.

Uff sölAjout au-dessus de la lignecches Hans GullisenPersonne : sellige frowPersonne : ouch in zrecht durch iro fürsprechen reden unnd antwurten ließ, das iro man sellig syge [fol. 1v]Saut de page etwa menches kindsTerme : vogtTerme : gsin. So habe er doch einem jegklichen sin geltTerme : und ein seckelTerme : dar zu psunder ghan, vermeint, das da gar und gantz nüt verwechslet sige worden und syge nüt schuldig. Wo aber etwas gfält, habe es am schribenTerme : gfält, dan iro man selig habe den schriberTerme : HüttlerPersonne : sellig gschickt, der habe ime etwas söllen verschriben und hab im etwes verschriben. Do syge denn schriber selligen sin weeTerme : an komen, das er habe heim gmisenLecture incertained und nüt mer schaffen können. Und so sy das nit glouben wellend, begere sy, biderblütt darum zu vor hören und satzind hiemit zu recht.
Uff sömlichs fragt ich, vorgenantter richter, uff den eid rechtens umb, ward nach miner umbfragTerme : mit einhelliger urtal erkennt, es syge ein teill oder beid, die da begerend, byderblüttTerme : zu verhören, das man innen die hörren unnd dan wytter pscheche, was recht werd.
Und nach gethonnem anloben an eines eidsTerme : statt und so sagt Thrynna StrigckerinPersonne : , das Hans GullisPersonne : sellig iren man sellig uff ein tag habe zu sinem hußTerme : uffin gschickt, habend sy sych zämmennd uff das then brückliTerme : gsetzt und er habe im etwas söllen verschribenTerme : . Im selbigen syge ir man, der schriber sellig, heim gangen und sy im nach, hab sy iren man gfraget, warum er hinweg gangen syg, hatt er iren zur antwurtt geben, sin weeTerme : syge in ankonnAinsi, das er nüt mer schaffen können und welle im etwan her nach schriben, möge sy aber nit wüssen was.
Und uff söliche kundtschafftTerme : satztend sy zu beiden theillen dye sach zu erkantnuß des rechten. Ward aber mals uff min, des richtersTerme : , umbfragTerme : uff den eid mit merer urtallTerme : zu recht erkennt und gsprochen: Das des Hanns GullisenPersonne : erben e–zit und wil fAjout dans la marge de gauche–ePassage cancellé avec perte de texte (3 lettres)g heigind bys sant MichelsPersonne : Date : 29. septembre (délai) tag, dan söllind sy anstonn unnd das kindTerme : umb das, was gedachter Hans GullyßPersonne : sellig ime by rechnigTerme : schuldig pliben, uß richten, sy duͤigend bis dar dan witter dar, das zu recht gnug syg.
Die minder urtallTerme : erkent zu recht durch fändrichTerme : SchwartzenPersonne : 3: Die wyll dise sach jetz nit uß [fol. 2r]Saut de pagegang, welle er der urtall rathTerme : han byß sant MichelsPersonne : tagDate : 29. septembre (délai).
Wie do sant MichelsPersonne : tagAjout au-dessus de la ligneh Date : 29. septembre (délai) gsin ist, er witter genötiget worden, sin urtall zegebenCorrection au-dessus de la ligne, remplace : zgbeni. Uff sölches hatt er ein urtal geben: Die wyll des Hans GullisenPersonne : seligen frouwPersonne : vermeint, nüt schuldig zesin, thöreCorrigé de : darfj sy da an stonn unnd an des richters stabTerme : ann eines eydsTerme : statt an loben, das sy dem kind nütt schuldig syg, sölle gschechen, was recht werd. Und wie die frouwTerme : sölches verstanden, do hat sy der urtall statt thonn. Hatt er, fändrich SchwartzPersonne : , nach gethonnem an loben wytter ein urtall geben: Die wyll die frouw der urtall statt thon habe, sölle sy by dem zu spruch niemand nützit schuldig sin.
Uff sölliche gethonne urtall liesend die obgemelten erbenTerme : witter rederCorrigé de : redenk unnd eroffnen durch iren mitt recht erloupten fürsprechenn, sy redind nyemand nüt in sin urtall, die mer urtallTerme : beschwär sy aber in der masen so fyll, das sy die mynder urtalTerme : begerend für min herr landtvogtTerme : nach ordnigTerme : und bruchTerme : der obgemelten grafschafft ze appellierenTerme : unnd satztend zu recht, ob sy es nit byllich thun mögind.
Uff sölches fragt ich, obgenantter richterTerme : , urtal umb uff den eid, ward nach myner umb frag zu recht erkennt: Das die obgemelt Hans GullisPersonne : selligen frouwPersonne : die urtall woll müge appilliernTerme : unnd so klag und antwurt ouch beid urtlen an geben werdend unnd geschryben wirt, wie recht unnd urtall gangen und im rechten gebrucht worden, den sölle es der richter von des rechtens wegen besiglen unnd unserm herr landtvogt under dry wuchen unnd ob fierzechen tagenTerme : über anttwurt und der wider parthy darzu verkündt werden.
Des alles zu warem urkhundt, so han ich, obgenantter richter, min eigen in sigell offentlich uff dysen brieff gethruckt, doch mynen gnädigen herren von GlarisOrganisation : , ouch mir und eim gantzen gricht in all weg onne schaden, der geben ist fier zechen tag nach sant MichelPersonne : s tag im jar, als man zalt nach der gepurt CrystiPersonne : thussent fünffhundert sybentzig jare.Date : 13.10.1570

[fol. 2v]Saut de page
[Note dorsale au verso par une main du XIXe siècle :] 1570 Urtheil vom ammann und gerichtTerme : zu WerdenbergLieu : betrift Diebist LiederlichenPersonne : seeligen kind

Annotations

  1. Corrigé de : zue.
  2. Suppression : die.
  3. Ajout au-dessus de la ligne.
  4. Lecture incertaine.
  5. Ajout dans la marge de gauche.
  6. Suppression : heigend.
  7. Passage cancellé avec perte de texte (3 lettres).
  8. Ajout au-dessus de la ligne.
  9. Correction au-dessus de la ligne, remplace : zgben.
  10. Corrigé de : darf.
  11. Corrigé de : reden.
  1. Die häufigen Schlenker bei den Wörtern mit der Endung er werden nicht aufgelöst.
  2. Die Zuordnung der Witwe zu Magdalena Gully ist wahrscheinlich, aber nicht ganz sicher. Die Witwe von Hanns Gully wird hier nicht mit Vornamen genannt. 1573 geht Magdalena Gully, die eine Tochter hat, eine (zweite) Ehe ein, wird jedoch nicht explizit als Witwe von Hans Gully bezeichnet (SSRQ SG III/4 141-1). Wie aus der Quelle 1573 hervorgeht, ist Magdalena Gully eine vermögende Frau, die ihrem neuen Ehemann eine Morgengabe in beträchtlicher Höhe vermacht. Hans Gully als Vogt vieler Vogtkinder muss ebenfalls vermögend gewesen sein, weshalb es durchaus wahrscheinlich ist, dass Magdalena die Witwe des verstorbenen Hans Gully ist.
  3. Wahrscheinlich Paul Schwarz, der 1565 zum ersten Landesfähnrich auf Lebenszeit gewählt wird (SSRQ SG III/4 138-1).