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SSRQ ZH NF I/1/3 193-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), par Michael Schaffner

Citation : SSRQ ZH NF I/1/3 193-1

Licence : CC BY-NC-SA

Erläuterung zum Erbrecht von Eheleuten in der Stadt Zürich

1558 mai 7.

Einer Frau, die ihren Ehemann überlebt, stehen gemäss dem städtischen Erbrecht ihr zugebrachtes und ererbtes Gut, die Morgengabe, ihre Kleider und Schmuckstücke, ein Drittel der Fahrhabe sowie den als Eherecht bezeichneten Anteil des Vermögens zu. Da die zum Eherecht gehörenden Güter in den älteren Satzungen nicht benannt werden, was verschiedentlich zu Unstimmigkeiten geführt hat, werden diese nun, nach dem bisherigen Brauch, folgendermassen definiert: Das Eherecht umfasst Neujahrsgaben und weitere Geschenke des Mannes an die Ehefrau, einen Ehrenpfennig aus dem Bargeld des Mannes, einen Becher aus dem Silbergeschirr, ein Kleidungsstück aus dem Besitz des Mannes sowie eine Waffe. Des Weiteren wird im Einzelnen festgelegt, welches Mobiliar aus Stube, Küche und anderen Räumen des Hauses der Ehefrau als Erbe zustehen. Alles darüber Hinausgehende sollen die Nachkommen des Mannes erben. Für den Fall, dass ein Ehemann seine Ehefrau überlebt, gab es bisher noch keine schriftliche Norm. Deshalb wird im Folgenden, gestützt auf die Rechtsgewohnheit, das Folgende festgesetzt: Nach dem Tod der Ehefrau stehen dem Mann Kleider, Schmuck und Bargeld der Ehefrau zu, soweit es sich nicht um zugebrachtes Gut handelt. Des Weiteren geht auch ein Bett mit Zubehör, ein Kasten und ein Becher aus dem Silbergeschirr an den Ehemann. Das zugebrachte Gut der Ehefrau steht ihren Erben zu. Soweit gemeinsame Kinder der Eheleute am Leben sind, verwaltet der Mann deren Anteil am mütterlichen Gut, bis sie volljährig werden und heiraten. Vorbehalten sind anderslautende Vereinbarungen zwischen den Eheleuten in Form von Eheverträgen oder letztwilligen Verfügungen sowie die Bestimmungen der Ordnung der Stadt Zürich betreffend Erbrecht junger Ehemänner wiederverheirateter Witwen. Nach Bestätigung der vorliegenden Ordnung soll ihr Inhalt denen von Bülach mitgeteilt werden.

Texte édité


Was ein eemeͣntsch, es sige wyb
oder man, im eerechten von dem
anderen erben soll und mag


Die frow von irem man


Erstlich soll man ein jede frouwen, so iren eeman überlëbt,
nach der statt ordnung umb ir zuͦbracht und ererbt guͦt,
ouch die morgengab, ußrichten unnd verwyssen, dartzuͦ
iro, der frouwen, ire kleider und kleinoter, was zuͦ irem
lib dient, blyben, demnach sy umb ir eerecht ouch vernügt
werden. So aber inn der selben satzung nit wirt benamsot,
was sollich eerecht syge,1 sonders dasselb bißhar nach der
ußrichtern unnd gantmeistern anzeigung und bescheid gegëben, daruß allerley mißverstand und unglichheit gefolget ist, habent unser herren zuͦ verhutung desselben
sich der alten brüchen erineret unnd befunden, was bisshar
einer frouwen eerecht gewessen syge, darby es gentzlich
fürer bestan und gehalten werden solle, wie harnach volgt.
Namlich, was der man der frouwen zum guͦtten jar geben hette
oder sonst geschënckt ist, soll iro (so das ungefarlicher wyß
beschechen) plyben, dessglych uß des mans barem gëlt, ob
etwas da were, ein eer pfening und von dem silbergeschir
etwa ein becherli, darnach desselben verhanden, item uß
des mans kleideren ein kleid, nit das best noch das böst, sampt
einem sidten gwer, zuͦgehören und verlangen.


Denne uß dem gmeinen hußraath sol der
frouwen witer gefolgen


Das bett, daran sy beide gelegen sind, und ein casten.
[fol. 356v]Saut de page


Inn der stuben


Ein tisch mit dem gestuͤl, ein ufgeruͤste gutschen, ein gießvaß, ein handt becki, ein brunen kesy, ein sessel sambt
einem küsse daruf, ein brotkorb, ein kertzen stock oder
hangliecht.


Inn der kuche und dem huß
allenthalben

Ein gatzen, ein wasser kesel oder wasser geͣlten, ein rost,
ein häl, ein tryfus, ein saltz vaß, ein schüsel korb, schuslen
und teller, ouch von heͣfen, këssi, pfannen, kupferi, zini
und anderem hußgeschir einem jedem etwan einQuantité : 1Ajout au-dessus de la lignea stuck oder zweyQuantité : 2.
So denne hört der frouwen ferer etwas kërnen uff der
beylen, item das drinck vass oder etwas wynns
daruß und soll das ein eiche vaß sin, item der ancken
kübel und etwas höltz.
Und soll das alles, jenach dem hußrat hab unnd guͦt
verhannden und durch die wyber trüw ald vorteil
gebrucht ist, ußgestossen und geordnet werden, wellichs
inn den ussrichtungen zuͦ der ussrichteren und gantmeistern bescheidenheit gesetzt wirt, je nach gestalt
der sachen.
Und wenn also ein frouw umb ir eerecht abgefertiget
wirt, mag sy inn drittenteil stan, was der inhalt
desselben gebruchs iro gibt oder nimpt, das muß sy
erwarten. Unnd alles, das der frouwen im
eerechten und drittenteil gebu̍rt, soll ir fryg eigenthumb heisen und syn und was dann witer uͦbrigs
wirt, es syge ererbt, erspart ald gwünen guͦt,
daran soll die frouw dhein ansprach haben, sonders sollichs alles des mans kinden und erben gefolgen
und werden.
[fol. 357r]Saut de page


Was der man von siner eefrowen erbt

Dargeͣgen aber, was ein man von siner eefrouwen, so dieselb
vor im mit tod abgat, erbe, ist dhein verschrybne satzung verhanden gewesen, sonders findt sich, wie sölichs von alterhar gebrucht syge, darby wellen unser herren es hinfüro styf plyben
lassen. Namlich, was die frouw zuͦ dem man gebracht und ererbt
hatt, liggends und varends guͦt, das sol bewyßt, erduret und
nebent sich gelegt wërden, ußgenommen der froͧwen kleider unnd
kleinot, was zuͦ irem lyb dient, ouch ir verlaßen bargelt, so nit
zuͦ bracht guͦt gewessen ist, gehört alles dem man voruß, darzuͦ uß der frowen varenden hab ime ein ufgerust bett und ein
kasten und vom silbergeschirr ein becher, so desselben etwas verhannden, je nach gestalt der sach, alles zuͦ rechtem eigen. Und
mit sollichem soll der man uss der frouwen guͦt für all syn
eerecht und gerëchtigkeit abgefertiget syn und das uͦberig der
frowen guͦt iren rechten und nechsten erben gefolgen unnd
werden. So aber von inen beiden eeliche kinder verhanden
sind, soll der vatter das mütterlich guͦtt ungeschweineret des
houptguͦts nutzen und niessen und so die kinder zuͦ iren tagen
kommend und verhyrat werdent, einem jeden sin geburlich
mütterlich houptguͦt hinuss zuͦ gëben schuldig sin.

Doch wo hyrat, gemecht ald ander geding zwüschent eelüten
für sollich statt recht ufgericht ald abgerett weren, die sollen
inn alwëg vorgan und by den selben verkomnussen on widerred
plyben.

Und als ein besonnder statt recht verhanden, so ein knab ein witwe
nimpt, was der selb von iro erben möge, ist unser herren meinung,
das obangezoigte ordnung dem selben rechten gentzlichen on abbruch
und unschadlich syn sölle.2

So das alles erlu̍tert und bestet wirt, mag man danenthin
denen von Bu̍lachLieu : irem begeren nach daruss miteilen, was
zuͦ irem statt reͣchten dienstlich sin wirt.
Actum sambstags, den 7. may, ano etcAbréviation lviijDate : 07.05.1558, pntpresentibus herr burgermeister MüllerPersonne : und beid rethOrganisation : .3

Annotations

  1. Ajout au-dessus de la ligne.
  1. Das Eherecht wird als Teil desjenigen Vermögensanteils, welcher der Witwe nach dem Tod ihres Mannes zustand, in einer Ordnung des Jahres 1442 erwähnt, jedoch nicht genauer umrissen (Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/2, S. 184-185, Nr. 84; vgl. dazu Matter-Bacon 2016, S. 228-229 sowie Weibel 1988, S. 48-49). Die Grundlage für das ZürcherLieu : Erbrecht bildete die auf das Jahr 1419 zurückgehende Ordnung «Wie die lutt einandern erben soͤllent» (SSRQ ZH NF I/1/3 133-1).
  2. Dies bezieht sich auf die im Jahr 1529 verabschiedete Ordnung betreffend Erbrecht junger Ehemänner wiederverheirateter Witwen (Schauberg, Gerichtsbuch, S. 54).
  3. Das Entstehungsjahr der vorliegenden Ordnung wurde in der Edition der ZürcherLieu : Stadtbücher irrtümlich mit 1538 angegeben (Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/2, S. 184, Anm. 1). Die falsche Datierung findet sich auch bei Matter-Bacon 2016, S. 228. Korrekt datiert ist die Ordnung bei Weibel 1988, S. 48 sowie Bluntschli 1856, Teil 1, S. 441.