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SSRQ ZH NF I/1/3 80-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), par Michael Schaffner

Citation : SSRQ ZH NF I/1/3 80-1

Licence : CC BY-NC-SA

Ordnung der Stadt Zürich für den jährlichen Kreuzgang nach Einsiedeln

ca. 1516 – 1518.

Bürgermeister, Kleiner und Grosser Rat ordnen zu Lob und Ehre Gottes, der Jungfrau Maria und aller Heiligen sowie zum Besten der Stadt Zürich und ihrer Untertanen die Begehung eines jährlichen Kreuzgangs am Montag nach Pfingsten an. Jedes Haus der Stadt hat einen erwachsenen Mann zu stellen, der am Kreuzgang teilnimmt. Aus dem Kleinen Rat werden zwei Mitglieder abgeordnet, die den Kreuzgang begleiten und die Teilnehmenden beaufsichtigen. Den Ratsverordneten ist Gehorsam zu leisten, auch sollen sich alle hinter dem Kreuz einreihen und niemand davor gehen. Den Ratsverordneten obliegt es darüber hinaus, zu kontrollieren, ob alle Häuser einen Vertreter gestellt haben. Zu diesem Zweck soll in jeder Wacht eine Person damit beauftragt werden, eine Liste der Häuser und ihrer Vertreter zu führen und Abwesende den Ratsverordneten zu melden. Fehlbare werden bestraft. Bei der Rückkehr sollen die Ratsverordneten das Verladen der Teilnehmenden in Schiffe beaufsichtigen. Diese Ordnung ist jeweils acht Tage vor dem Kreuzgang in den Stadtkirchen zu verkünden. Die Ratsverordneten haben in der ersten Sitzung des Kleinen Rates nach dem Kreuzgang über dessen Verlauf zu berichten und Ungehorsame anzuzeigen. Die Fraumünsterabtei und die Grossmünsterpropstei sollen wie bisher einen oder zwei Priester auf eigene Kosten abordnen. Ebenso sollen die drei Orden der Stadt wie bis anhin Priester sowie Helfer, die das Kreuz tragen, stellen. Dies geschieht jedoch auf Kosten der Stadt.

  • Cote : StAZH B III 6, fol. 1r-v
  • Date : ca. 1516 – 1518 (Datierung aufgrund der Schreiberhand)
  • Tradition : Eintrag
  • Support d’écriture : Papier
  • Dimensions l × h (cm) : 24.0 × 32.0
  • Langue : allemand

Das Kloster EinsiedelnLieu : hatte für das spätmittelalterliche ZürichLieu : eine grosse Bedeutung als Wallfahrtsort, aber auch als identitätsstiftender Bezugspunkt der StadtgemeindeOrganisation : . Diese Bedeutung blieb auch nach der Übertragung der Klostervogtei an SchwyzLieu : 1433/34 und der Zurückdrängung des ZürcherLieu : Einflusses im Alten Zürichkrieg erhalten. Sichtbares Zeugnis dafür war der jährliche Kreuzgang, an dem die Vertreter sämtlicher Häuser der Stadt und die Priester von FraumünsterOrganisation : und GrossmünsterOrganisation : sowie Geistliche der drei Orden gewissermassen ein Abbild der Stadtbürgerschaft darstellten. Auch andere eidgenössischeOrganisation : Orte kannten solche jährlichen Kreuzgänge; den damit verbundenen Brauch der sogenannten Standeskerzen übernahmen auch eidgenössischeOrganisation : Orte, die aufgrund der Entfernung keine Kreuzgänge abhielten.

Die vorliegende Ordnung steht am Anfang des 1516 bis 1518 verschriftlichten Satzungsbuchs der Stadt ZürichLieu : , woran sich die Bedeutung zeigt, die dem Kreuzgang auch noch im frühen 16. Jahrhundert eingeräumt wurde. Sie basiert auf mehreren älteren Ordnungen (StAZH B II 4, Teil II, fol. 7v; StAZH A 42.1.14, Nr. 1; StAZH B II 31, S. 26; StAZH A 42.3.2, S. 7; StAZH A 42.3.3, S. 5-7; StAZH A 43.1.5, Nr. 1, S. 1-2). Neu an der vorliegenden Ordnung ist die Bestimmung, dass als rechtmässige Vertreter der einzelnen Häuser nur Männer zugelassen sind. Als freiwillige Teilnehmerinnen waren Frauen jedoch nachweislich weiterhin am Kreuzgang beteiligt (Sieber 2007d). Der RatOrganisation : schaffte den Kreuzgang im Jahr 1524 im Zug der Reformation ab (StAZH E I 1.69, Nr. 20; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 527, mit falschem Datum). Zeitgenössische Beschreibungen des Kreuzgangs finden sich unter anderem bei Gerold EdlibachPersonne : , Heinrich BullingerPersonne : und Johannes StumpfPersonne : (Edlibach, Aufzeichnungen, S. 52; Bullinger, Reformationsgeschichte, Bd. 1, S. 160-161; Stumpf, Reformationschronik, Bd. 1, S. 194; für weitere Überlieferung vgl. Sieber 2007d).

Zum Kreuzgang vgl. Sieber 2007d; Sieber 1996, S. 46; Bless-Grabher 1995, S. 445-446.

Texte édité

Umb den kru̍tzgang jerlichsDurée répétée : 1 année zuͦ unser lieben frowen gen EinsidlennLieu :

Wir, der bu̍rgermeister, rat unnd der groß rat der statt ZurichLieu : Organisation : , ordnent, setzend unnd woͤllend zuͦ lob unnd ere des almechtigen gottes, siner wirdigen mutter, der junckfrow MariaPersonne : , unnd alles himelischen heres unnd ouch zuͦ trost allen cristgloubigen selen unnd umb das der almechtig, ewig gott unns, unser statt Zu̍richLieu : , unnser landschaft unnd unser unterthanen inn sinen gotlichen gnaden, schutz und schirm habe, die enthalt, unns verliche sin gotliche wißheit unnd gnad zeregieren und zeleben nach sinem gotlichem willenn und gevallen unnd unnser statt und des gemeinen lands lob, nutz und eren, unns verlyhe guͦt wetter, behuͤte die frucht und vor allem ubel beschirme, das man alle jar jaͤrlichDurée répétée : 1 année uff den negsten montagPériode : lundi nach dem heligen pfingstagDate : des fêtes sans date fixe uss unnser stat einen loblichen kru̍tzgang thuͤye zuͦ der heligen unnd gnadrichen statt unnser lieben frowen zuͦ den EinsidlenLieu : , mit andacht unnd einem opfer, wie dann unnser vordren unnd wir solchen kru̍tzgang lange zitt unntzhar ouch habent gethon. Unnd soll ein jeglich gehu̍ß1 ein erbere mansperson, die zuͦ dem heligen sacrament gangen unnd ouch erwachssen syg, mit dem cru̍tz zuͦ solcher gotsfart senden und das keinswegs underlassen.

Wir soͤllent unnd woͤllent ouch alweg ordnen zwenQuantité : 2 uss unnserm kleinen ratOrganisation : , die mit dem cru̍tz gangint unnd die lu̍t in guͦtter huͦt unnd meisterschafft habent, das sy ordenlich, zu̍chtiglich und demu̍tig gangint unnd niemas kein unfuͦg tryb.

Es soll ouch ein yeder denselben zweyenQuantité : 2 unnsern verordneten ratsfru̍nden gehorsam sin, den kru̍tzgang ordenlich, zu̍chtiglich und bescheidenlich thuͦn, mit andacht, in solcher maß, das es gott, dem almechtigen, unnd unnser lieben frowen enpfengklich, ouch uns erbittlich syg umb das, so obstat, unnd dartzuͦ unnser statt ere. Unnd sol niemas fu̍r das cru̍tz louffen noch gon, sonder yederman dem cru̍tz bescheidenlich nachvolgen.

[fol. 1v]Saut de page

Unnsere ratsfrund, so zuͦ solchem kru̍tzgang werden verordnet, sollent alweg an der steig erkonnen, wer sin botschafft nit da hab, damit sy unns die wuͤssent anzuͦzoͤigen unnd wir die mu̍gint straffen, als wir ouch thuͦn sollent. Unnd sol ein yede wacht ein verordneten man haben, der die hu̍ser, in siner wacht verzeichnet, lëste unnd wer nit da ist, dieselben leide den verordneten, unnsern ratsfru̍nden. Dieselben, unnsere ratsfru̍nd, sollent ouch am widerheruß keren die lu̍t inn die schiff ordnen, nachdem unnd sy bedu̍nckt guͦt sin. Unnd wie sy das ordnent, darinn sol man inen gehorsam sin.

Es sol ouch dise unnser satzung unnd ordnung alweg acht tagPériode : 8 jours vorhin in den kilchen verku̍ndt werden, damit sich ein yeder darnach wu̍sse zehalten.

Wir erkennent unns ouch hiemit, sobald die fart beschicht, das alßdann unnser verordnet rët, so damit sind gangen, in dem ersten ratOrganisation : , der darnach wirt gehalten, erschinent unnd sagint, wie solicher cru̍tzgang sye beschehen unnd wen sy ungehorsam habint funden. Unnd so das beschicht, soͤllent wir die, so straffbar sind, von stunden an straffen nach irem u̍berfaren unnd die buͦßen von einem yeden lassen inzuͦhen.

Unnd als unnser frow, die abtissin, unnd das capittel zur abtyOrganisation : , deßglich herr brobst unnd die korherren zur brobstyOrganisation : bißhar alweg yetweder teyl einenQuantité : 1 oder zwenQuantité : 2 priester zuͦ solchem cru̍tzgang habent verordnet in irem costen, mit andern priestern, so sust gond, zegond, sollent wir uffsehen haben, das sollichs nit abgang unnd hinfu̍r wie bißhar beschehe. Unnd dartzuͦ, das die oͤrden ire priester ouch schickent, in zal wie bißhar ist beschehen, ouch die helffer mit dem cru̍tz gangint, wie von alterhar, doch inn gemeiner unnser stat costen unnd das solchen ordens herren unnd den helffern werden geben uss unnser stat seckel, nach altem bruch.2

Annotations

    1. Die älteren Kreuzgangsordnungen präzisieren diese Bestimmung dahingehend, dass auch Mieter von der Kreuzgangspflicht betroffen waren und nicht nur Hausbesitzer (StAZH B II 31, S. 26).
    2. Die Kreuzgangsordnung des Jahres 1500 vermerkt die Teilnahme von insgesamt 24 Priestern, wobei das GrossmünsterOrganisation : zwölf, das FraumünsterOrganisation : vier, St. PeterLieu : zwei und die drei Orden je zwei Priester stellten (StAZH B II 31, S. 26).