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SSRQ ZH NF I/1/3 174-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), par Michael Schaffner

Citation : SSRQ ZH NF I/1/3 174-1

Licence : CC BY-NC-SA

Ordnung für den Kaplan des Siechenhauses an der Spanweid

1539 juin 19.

Der Kaplan des Siechenhauses an der Spanweid soll wie bisher jeweils am Sonntag und am Mittwoch den Kranken das Wort Gottes verkünden, ebenso an allen weiteren Feiertagen, an denen in der Stadt ebenfalls Gottesdienst gehalten wird. Im Krankheitsfall hat der Kaplan auf eigene Kosten einen Vertreter zu stellen (1). Den Todkranken hat der Kaplan Trost zu spenden (2). Dem Kaplan obliegt es, in der Verwaltung der Haushaltung des Siechenhauses behilflich zu sein und darauf zu achten, dass wohltätige Vergabungen und Spenden ihrer Bestimmung gemäss verwendet werden. In Abwesenheit des Pflegers hat er dafür zu sorgen, dass das Haus und seine Insassen mit dem Notwendigen versorgt sind (3). Wenn für das Siechenhaus bestimmte wohltätige Vergabungen und Almosen an den Kaplan gelangen, hat er diese dem Pfleger zu übergeben und dafür besorgt zu sein, dass sie gemäss dem Willen der Stifter verwendet werden. Alle testamentarisch verfügten Vergabungen sowie Schenkungen sollen in das vorliegende Buch eingetragen werden (4).

  • Cote : StAZH H I 607, fol. 1r-2v
  • Date : 1539 juin 19
  • Tradition : Eintrag
  • Support d’écriture : Papier
  • Dimensions l × h (cm) : 21.0 × 32.0
  • Langue : allemand

Das 1539 angelegte Jahrzeitbuch des Siechenhauses an der SpanweidLieu : , an dessen Anfang die vorliegende Ordnung steht, enthält neben Abschriften vorreformatorischer Jahrzeitstiftungen auch wohltätige Vergabungen aus der Zeit nach der Reformation, die sich am protestantischen Almosenwesen orientieren. Es dokumentiert die umfangreichen Zuwendungen, welche die Institution erhielt (für zwei exemplarische Stiftungen vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 57-1; SSRQ ZH NF I/1/3 192-1). Die vorliegende Aufzeichnung ist die erste überlieferte Ordnung für den Kaplan des Siechenhauses. Ausführlichere Hausordnungen, die Einblick in die Verhaltensvorschriften der Insassen geben, sind erst aus dem 17. Jahrhundert überliefert (StAZH H II 24.4, Nr. 2).

Für die Insassen des Siechenhauses brachte die Reformation insofern eine Veränderung, als die neue Almosenordnung des Jahres 1525 ihnen verbot, wie bisher an bestimmten Tagen in der Stadt Spenden zu sammeln (SSRQ ZH NF I/1/3 125-1). Der Zutritt zur Stadt wurde damit auf den Weihnachtstag eingeschränkt, an dem die an Aussatz Leidenden gemeinsam singend durch die Stadt ziehen durften, wobei der Knecht des Siechenhauses die Spenden der Bevölkerung einsammelte. Das allgemeine Bettelverbot während des restlichen Jahres wurde 1539 noch einmal verschärft (StAZH A 61.1, Nr. 17, fol. 3r-4r). Um den Kranken dadurch entstehende Einbussen zu kompensieren, schlugen die RechenherrenOrganisation : deshalb im Auftrag des Kleinen RatesOrganisation : vor, das Siechenhaus stärker an den Einkünften des AlmosenamtesOrganisation : zu beteiligen (StAZH H II 24.10, Nr. 1). Die Neuanlage des Jahrzeitbuchs im Jahr 1539 und der Erlass der darin erhaltenen Ordnung für den Kaplan dürften auch im Kontext dieser Bestrebungen zu verorten sein, die finanzielle Unterstützung der an Aussatz Leidenden neu zu organisieren.

Das dem heiligen MauritiusPersonne : geweihte Siechenhaus an der SpanweidLieu : im heutigen Quartier UnterstrassLieu : war neben demjenigen bei St. Jakob an der SihlLieu : das jüngere der beiden Siechenhäuser vor den Mauern der Stadt ZürichLieu : . Im Zuge der stärkeren Kontrollbestrebungen der städtischen Obrigkeit gegenüber kirchlichen Institutionen Ende des 15. Jahrhunderts erhielt das Haus einen durch den RatOrganisation : eingesetzten Pfleger, dem fortan zusammen mit dem Kaplan die Leitung des Betriebs oblag (für die Einsetzung der ersten Pfleger vgl. StAZH A 94.1, Nr. 1a, S. 24). Die durch das GrossmünsterOrganisation : versehene, im Jahr 1472 gestiftete Kaplaneipfründe der zum Siechenhaus gehörenden Kapelle wurde auch durch die Reformation nicht angetastet, sondern sogar noch erhöht. Ein noch heute erhaltener Bestandteil der Innenausstattung der Kapelle ist das im Landesmuseum befindliche Altarbildnis des ZürcherLieu : Veilchenmeisters mit Maria MagdalenaPersonne : und Johannes dem TäuferPersonne : , das gemäss einem Donationenbuch des 17. Jahrhunderts von der SpanweidLieu : in den Kunstkammerbestand der WasserkircheLieu : gelangte (KdS ZH NA I, S. 55).

Während sich das Haus St. Jakob an der SihlLieu : bereits zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Richtung einer Pfrundanstalt für besser gestellte, bezahlende Insassen entwickelte, erfüllte die SpanweidLieu : weiterhin die Funktion eines Siechenhauses, das auch zahlreiche bedürftige Kranke übernahm (Wehrli 1934a, S. 27-28). Nachdem im 17. Jahrhundert der Aussatz weitgehend verschwunden war, fanden an anderen ansteckenden Krankheiten Leidende dort Beherbergung. Nach der Zusammenlegung der Verwaltung mit dem neuen KantonsspitalOrganisation : wurde zwischen 1865 und 1884 in den Gebäuden des ehemaligen Siechenhauses eine Quarantänestation für Pocken-, Typhus- und Cholerakranke eingerichtet. 1894 erfolgte der Verkauf an Private und der Abbruch von Siechenhaus und Kapelle.

Zur Geschichte des Siechenhauses vgl. KdS ZH NA I, S. 51-56; Wehrli 1934a, S. 21-26; zur Feststellung des Aussatzes im vormodernen ZürichLieu : vgl. SSRQ ZH NF I/1/3 52-1.

Texte édité


Statuten unnd ordnunngen, so der capplan deren
armen luͤten des gotshuß SpanweydLieu : schuldig unnd pflictig ist zehaltenn und denen
mit ernstlichem fliß nachkommen, damitt
gottes eer gefuͤrdert unnd zucht und erberkeyt by den armen gepflantzet werd unnd
hie mitt ein christenlich demuͤtig leben fuͤrind


Item des ersten, so sol der capplan des
gotshuß SpanweydLieu : all sontagDurée répétée : 1 semaine unnd mitwuchenDurée répétée : 4 semaines denen armen sondersiechen luͤten
dz heylig gots wortt verkuͤnden, uff zit und
stund, wie dz vormals gebrucht ist worden.
Witter ouch an andren firtagen, so man
in der statt haltet und das goͤttlich wortt
verkuͤndt, so sol der capplan an den selben
firtagen ouch an der SpanweydLieu : dz goͤttllich wortt verkuͤnden. Unnd ob sach waͤre, dz
ein capplan kranck waͤre, dz er sinen dienst nit selbs moͤcht versehen mit predgen,
so sol ers verschaffen gethan werden durch
einen andren verstendigen der heyligenn
geschrifftt predicanten, in sinez eygnen costen.
[fol. 1v]Saut de page

Zum andren sol der capplan, so er erfordrett
wirdtt unnd die notturfft houͤst, die armen
luͤt, so da zuͦ bett liggend unnd in schwaͤrer, toͤdlicher kranckheyt begriffen sind,
sy zuͦ vermanen, troͤsten mitt dem goͤttlichen wortt, wie man schuldig ist zethuͦn
uss christenlicher liebe, damit sy gnad
unnd barmhertzigkeytt von gott, dem
herren, erlangind unnd drost in gott ir
selen habind, denn soͤllich vermannung
zuͦ hoͤchsten von noͤtten sind, dennen armen
sondersiechen zuͦ zuͦ dienen.

Zum dritten gebuͤrtt, dz der capplan
hilfflich unnd dienstlich sye, die hußhaltung des gotshus SpanweydLieu : truͤlich
helffen zuͦ verwalten, ouch ein flißig
uffsehen habe, das alle gottes gaben und
ordnungen geben unnd bruchtt werdind,
ouch da hin verwendt werdind, wie alle
ding unnd gmaͤchtt von ersamen biderbenluͤten geben unnd geordnett sind,
one allen abgang.
Unnd ob sich begebe, dz zuͦ ziten ein pfleger nitt anheimsch oder sust in geschaͤfften
vergriffen, sol der capplan das huß [fol. 2r]Saut de page
SpanweydLieu : versehen mitt in kouffen und
was die notturfft erfordrett und mit truͤwen erstatten, wz in zethuͦn befolet wird.

Zum vierden, so sich begebe, dz ersamme und
andaͤchtige personen handreychung des
goͤttlichen allmuͦsens und gotsgaben denen armen kinden oder dem hus SpanweydLieu : weltint geben unnd soͤllich gotsgaben wurdint gen an barem geltt, an guͤlt,
mitt brieff unnd siglen oder an anderley fruͤchten, wie unnd in was gstalt soͤllich almuͦsen geben wurd und einem capplan des gotshus SpanweydLieu : uberantwwÀ corriger en :
w
aurttet wurde, so sols der capplan by
siner truͤw unnd eyds pflichtt fuͤrderlich,
one hinderstellung, einem pfleger anzouͤgen unnd zuͦ des pflegers gwaltt unnd
handen geben unnd stellen, one widerred, damit soͤllich gotsgaben und almuͦsen verwendt werdint nach luth und inhaltt gmaͤchts und ordnunng deren, so soͤllich
almuͦsen geben hand dem hus SpanweydLieu :
und den armen kinden. Ouch, so sol soͤllich gmaͤcht unnd gstifft almuͦsen uffge[fol. 2v]Saut de pagerichtt unnd geschriben werden harin in diss
buͦch, wie andere gotsgaben hie inn beschriben stand.

Actum sontags vor sant JohannesPersonne :
tag des heyligen touͤffers, wz der
xix tag brachmanott, als man zalt
nach Cristi geburtt fuͤnffzechenhundertt drysig unnd nuͤn jare.
Date : 19.06.1539

Annotations

  1. À corriger en :
    w
    .