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SSRQ ZH NF I/1/11 92-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, par Sandra Reisinger

Citation : SSRQ ZH NF I/1/11 92-1

Licence : CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Kontrolle und Verkauf von Kleesamen

1788 mars 29.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen aufgrund der Einfuhr falscher Kleesamen aus Schwaben ein Mandat mit fünf Artikeln. Verordnet wird, dass alle eingeführten Kleesamen ins Kaufhaus geliefert werden müssen, wo zwei Ratsmitglieder der landwirtschaftlichen Kommission die Samen überprüfen (I, III). Es dürfen nur dann Kleesamen auf Gewinn (Mehrschatz) gekauft werden, wenn sie zuvor ins Kaufhaus gebracht werden (II). Weiterhin wird das Hausieren mit Kleesamen verboten und verdächtige Händler sollen überprüft werden (IV). Die Amtleute der Landvogteien Eglisau und Andelfingen sollen an den Territoriumsgrenzen alle Wagen mit Kleesamen kontrollieren, den entsprechenden Betrag in einem Frachtschein aufführen sowie die Fuhrleute ermahnen, die Kleesamen ins Kaufhaus zu bringen (V). Zuletzt wird verordnet, dass das Mandat von den Kanzeln verlesen werden soll und es wird die Belohnung für erfolgte Anzeigen festgelegt.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es in ZürichLieu : zu verstärkten Bemühungen, neue Methoden in der Landwirtschaft einzuführen. Massgeblich daran beteiligt war die Naturforschende Gesellschaft ZürichsLieu : Organisation : und insbesondere deren 1759 entstandene Sektion, die Ökonomische KommissionOrganisation : . Das Reformprogramm der sogenannten Ökonomen bestand in der Auflösung der kollektiven Dreizelgenwirtschaft, in der Intensivierung des Ackerbaus und in der Erhöhung der Viehbestände. Um die Fruchtbarkeit des Bodens zu verbessern, sollten ausserdem auf der Brache verschiedene Futtergräser angepflanzt werden. Insbesondere der Anbau von Klee, der Stickstoff aus der Luft binden und den Boden damit anreichern kann, wurde von den Ökonomen gefördert und in vielen Gemeinden erfolgreich eingeführt. Mit dem Mandat vom 5. Juli 1787 (StAZH III AAb 1.15, Nr. 50) wurde der Kleeanbau in den Zelgen auf Kosten des Getreidebaus offiziell bewilligt. Ausserdem wurde es möglich, anstatt des Kleezehnten, welcher zum grossen trockenen Zehnten gehörte, einen Abgabeersatz in Naturalien oder Geld zu leisten (vgl. dazu auch das Gesetz vom 20. Dezember 1803, StAZH OS AF 1, S. 261-268).

Im Februar des Jahres 1788 meldete die Stadt SchaffhausenLieu : , dass einige Wochen zuvor ein Wagen mit falschen Kleesamen aus SchwabenLieu : in die SchweizLieu : gekommen sei (StAZH A 78). Auch Hans Caspar HirzelPersonne : , welcher Stadtarzt und Präsident der Ökonomischen KommissionOrganisation : war, berichtete über unechte Kleesamen, die bereits ins städtische KaufhausLieu : geliefert worden seien (StAZH B IX 62, S. 172). Daraufhin beschloss der Rat, dass die Landwirtschaftliche KommissionOrganisation : die Kleesamenhändler befragen sowie ein Gutachten und Ratschlag ausarbeiten solle. In der Landwirtschaftlichen KommissionOrganisation : , welche 1779 vom Rat eingesetzt wurde (StAZH B II 984, S. 71), befand sich auch Hans Caspar HirzelPersonne : (StAZH III AAf 1.41, S. 12). Am 3. März 1788 lag das Gutachten vor, worin die Publikation eines Mandats empfohlen wurde. Der von der Kommission vorgeschlagene Inhalt wurde im vorliegenden Mandat fast wortgleich übernommen. Allerdings verordnete der Rat, dass das Mandat nicht am Beschlussdatum, dem 29. März, gedruckt werden, sondern zusammen mit einer Anleitung der Ökonomischen KommissionOrganisation : betreffend Erkennung echter Kleesamen, welche noch gedruckt werden musste, verteilt werden solle (StAZH B II 1020, S. 177-178). Die Anleitung wurde schliesslich am 26. April 1788 gedruckt; laut handschriftlichem Hinweis auf der Rückseite des Mandatentwurfs druckte man 500 Exemplare des Mandats (StAZH B IX 62, S. 181 und StAZH A 78).

Zu den Veränderungen der landwirtschaftlichen Methoden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sowie zur Ökonomischen KommissionOrganisation : vgl. HLS, Agrarrevolution; HLS, Hirzel, Hans Caspar; HLS, Ökonomische Gesellschaften; Rásonyi 2000, S. 60-70 und S. 146-147; Erne 1988, S. 135-149; Stiefel 1944, S. 68-72.

Texte édité


Wir Burgermeister und Rath der Stadt ZuͤrichLieu : Organisation : ,
entbieten allen Unsern getreuen lieben Buͤrgeren und Angehoͤrigen Unsern
gnaͤdigen wohlgeneigten Willen und alles Guts zuvor. Nachdem Wir in Landesvaͤterliche Erwaͤgung gezogen,
welcher gestalten die sint einiger Zeit sich erzeigte Einfuhr eines falschen Kleesaamens aus dem SchwabenlandLieu : ,
allerdings der schon mehrere Jahre in Unserm Land in Uebung gebrachten Kleepflanzung, einem durch vielfaͤltige
Erfahrung so nuͤzlich befundenen Theil des Feldbaus, den die hiesige oeconomiChangement de policesche CommissionChangement de police der Naturforschenden GesellschaftOrganisation : , durch eine neulich im Druck erschienene, hier beygelegte Anleitung1 noch mehr zu
ermuntern und zu beguͤnstigen trachtet, zu groͤßtem Schaden gereichen koͤnnte; so haben Wir Uns mit wachsamster Sorgfalt angelegen seyn lassen, Unsere getreue liebe Angehoͤrige gegen den Ankauf solchen betruͤglichen
Kleesaamens fuͤr jezt und immer so viel moͤglich zu verwahren und sicher zu stellen, zu dem Ende hin nothwendig befunden, in Kraft des gegenwaͤrtigen Mandats zu hinkuͤnftigem allgemeinem Verhalt zu verordnen, daß
I. Aller Kleesamen, welcher in hiesiges Land eingebracht wird, in das KaufhausLieu : solle geliefert werden.
II. Niemand in Unsern Vogteyen und Landen Kleesaamen auf Mehrschatz kaufen solle, es seye dann vorher dieser Saamen in das KaufhausLieu : gebracht worden, - wodann
III. Der in das KaufhausLieu : gelieferte Kleesaamen durch zweyQuantité : 2 Ehrenglieder Unserer Oberkeitlich niedergesezten, landwirthschaftlichen
CommissionChangement de police
Organisation :
, welche von ihr zu diesem Geschaͤft zu verordnen sind, auf vorgewiesene Muster genau besichtiget, und der unwaͤhrschafte Saamen nicht verabfolget werden solle.
IV. Alles hausieren mit Kleesaamen gaͤnzlich abgekennt und verboten seyn, zumahlen alle verdaͤchtige Haͤndler, welche etwa mit Kleesaamen
hausieren wuͤrden, ohne anders angehalten werden sollen.2 Endlich ertheilen Wir
V. Den beyden Landvogteyaͤmtern EglisauLieu : und AndelfingenLieu : ruͤcksichtlich auf die Durchfuhr bey den dortigen Bruͤken andurch den guͤnstigen
Befehl, entweder durch die dortigen Zoller, oder durch einen eigens bestellten Mann, auf alle mit Kleesamen beladene Wagen sorgfaͤltig acht
geben, dieselben anhalten, den Kleesaamen genau waͤgen, den Betrag des Saamens in die Frachtzedel sorgfaͤltig einschreiben, und den Fuhrleuthen ansinnen zu lassen, daß sie bey zuerwarten habender ernstlicher Strafe unterwegs keinen abladen, sondern selbigen sammethaft in
hiesiges KaufhausLieu : liefern sollen.

Damit uͤbrigens diese Verordnung zu jedermanns Wißen gelange, so haben Wir solche zu Stadt und Land ab den Canzeln verlesen lassen.
Dabey ergehet ruͤcksichtlich auf hiesige Stadt an Unsere Verordnete zu den landwirthschaftlichen Geschaͤften, in Ansehung der Landschaft aber
an saͤmtliche respectiveChangement de police Ober- und Landvogteyaͤmter der hochobrigkeitliche Auftrag, auf die Befolgung derselben geflissene Aufsicht halten
zu lassen, und die darwieder handelnden zu angemessener Verantwortung und Strafe zu ziehen. Den verordneten Ober- und Landvogteyaͤmtern
ligt besonders ob, auf die Hausierer mit Kleesaamen, von welchen im 4ten Abschnitt die Rede ist, durch die Untervoͤgte und Gemeinds-
Vorgesezten in ihren respectivenChangement de police Regierungs-Bezirken ein aufmerksames Aug zu richten; da dann jedermann, wer einen solchen Hausierer entdeckt, und an der Behoͤrde laͤidet, 4 neue ThalerUnité monétaire : 4 thaler , und wer einen wirklich mit falschem Saamen handelnden anzeigt, 8 neue ThalerUnité monétaire : 8 thaler zu
empfangen haben solle. Wir versehen Uns aber in einer, auf das Beste eines wichtigen Zweigs des Landbaus abzielenden Sache zu willfaͤhrigem Gehorsam.
Geben, Samstags den 29. Merz, 1788Date : 29.03.1788.
Canzley der Stadt ZuͤrichLieu : Organisation : .
[fol. v]Saut de page

Annotations

    1. Es handelt sich wahrscheinlich um die «Anleitung für die Landleute über die Anlegung und Unterhaltung beständiger Wiesen, Wechsel-Wiesen, der künstlichen Wiesen» von 1781 (ZBZ NO 1402,03).
    2. Zum Umgang mit Krämern und Hausierern vgl. das Mandat von 1722 (SSRQ ZH NF I/1/11 46-1).