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SSRQ ZH NF I/1/11 72-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, par Sandra Reisinger

Citation : SSRQ ZH NF I/1/11 72-1

Licence : CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Giftverkauf

1772 octobre 14.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen ein Mandat betreffend Giftverkäufe mit fünf Artikeln. Zunächst wird verordnet, dass nur Apotheker und Materialwarenhändler (Materialisten) Gift verkaufen dürfen. Das Gift muss sicher aufbewahrt und darf nur gegen Abgabe eines obrigkeitlichen Scheines verkauft werden. Der Schein, der vom Grossweibel ausgestellt und in einem Verzeichnis vermerkt wird, muss Angaben über die Menge des Gifts sowie Grund und Ort des Kaufes enthalten. Das Gift muss versiegelt abgegeben und der Käufer zur sicheren Aufbewahrung und vorsichtigen Anwendung ermahnt werden (1). Angehörige auf der Landschaft, die Gift benötigen, sollen dies beim Obervogt, Landvogt oder Pfarrer melden und gemäss obiger Anleitung vorgehen (2). Färber, Indiennedrucker und andere Professionisten, die auf Gift für die Herstellung von Farben angewiesen sind, müssen ebenfalls nach der oben beschriebenen Weise vorgehen. Bei der Anmischung der Farben sollen sie anwesend sein. Falls das Gift in grossen Mengen aus der Fremde bezogen wird, muss es an einem sicheren Ort aufbewahrt und verschlossen sein und darf niemandem verkauft werden (3). Da beim Handel von Maus- und Rattengift häufig Arsen beigemischt wird, was gefährliche Folgen mit sich bringen kann, wird allen Krämern untersagt, damit zu handeln (4). Die Apotheker und Materialhändler müssen jeweils am Ende des Jahres alle eingenommenen Scheine dem Grossweibel geben und diese mit dem Verzeichnis abgleichen. Fremden und unbekannten Leuten darf kein Gift verkauft werden. Dies gilt auch für fremde Materialwarenhändler und Krämer, bei denen ausserdem weder Angehörige noch Bürger Gift kaufen dürfen (5). Zuletzt wird verordnet, dass das Mandat von allen Kanzeln der Stadt und Landschaft verlesen werden soll.

Neben Arzneimitteln führten die Apotheken der Stadt ZürichLieu : diverse Gifte. Im Jahre 1541 beschloss der RatOrganisation : , dass nur noch die Apotheker und nicht mehr die Krämer dazu befugt waren, Gifte zu verkaufen (QZZG, Bd. 1, Nr. 331a). Ausserdem mussten Angehörige der Landschaft für den Giftkauf eine Bestätigung ihres Vogtes vorweisen. Jedoch wurde den Apothekern in der Apothekerordnung von 1553 der Giftverkauf verboten (QZZG, Bd. 1, Nr. 373). Nachdem sich die Apotheker 1610 über das Verbot beschwert hatten, da bestimmte Berufsgruppen wie Scherer, Goldschmiede und Hufschmiede auf Gifte angewiesen waren und diese sonst bei fremden Krämern einkaufen würden, wurde eine erneute Apothekerordnung erlassen, worin den Apothekern der Giftverkauf wieder zugestanden wurde (QZZG, Bd. 2, Nr. 723).

Im 18. Jahrhundert wurden mehrere Mandate betreffend Giftverkauf erlassen (beispielsweise 1768: StAZH III AAb 1.13, Nr. 36). Ziel der obrigkeitlichen Regulierungsbemühungen war es, dass insbesondere fremden Krämern und Materialhändlern der Gifthandel erschwert wurde. Ausserdem sollte mithilfe eines Verzeichnisses sichergestellt werden, dass es zu keinen ordnungswidrigen Käufen und Verkäufen kommen würde.

Am 14. Oktober 1772 wurde in einer Ratssitzung das BernerLieu : Giftmandat vom 25. August 1772 (StABE Mb 291) sowie ein Gutachten des SanitätsratesOrganisation : betreffend Giftverkauf verlesen. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass das ZürcherLieu : Giftmandat von 1768 erneut gedruckt und ergänzt werden sollte. Neu sind im vorliegenden Mandat die Artikel 3 und 4, worin Bestimmungen über den Giftgebrauch für Professionisten sowie über den Verkauf von Ratten- und Mausgift aufgeführt sind. Neben dem Druck und der Verlesung von allen Kanzeln ordnete der RatOrganisation : ausserdem an, dass den Landvogteien KyburgLieu : und EglisauLieu : sowie den Städten WinterthurLieu : , Stein am RheinLieu : , RapperswilLieu : , BadenLieu : , BremgartenLieu : und MellingenLieu : die Bestimmungen des neuen Mandates zur ordnungsgemässen Ausführung mitgeteilt werden sollten. Des Weiteren wurde der Auftrag erteilt, dass sowohl das Mandat von 1768 wie auch die Neuerungen im vorliegenden Mandat an die Stadt BernLieu : gesendet werden sollten (StAZH B II 958, S. 205-206).

Trotz des erlassenen Giftmandates erhielt der Zürcher RatOrganisation : bereits am 28. Oktober 1772 eine Mitteilung, dass einige ZürcherLieu : Angehörige bei Apothekern und Materialhändlern in SchaffhausenLieu : Gift bezogen hatten. Daher beschloss der RatOrganisation : , SchaffhausenLieu : die Meldung zu machen, dass solche Kauftransaktionen zu unterlassen seien (StAZH B II 958, S. 220-221). In einer Sitzung des SanitätsratsOrganisation : vom 29. Oktober 1772 wurde des Weiteren der Druck von 600 Bescheinigungen für die Giftverkäufe angeordnet. Ausserdem sollten allen ZürcherLieu : Apothekern und Materialhändlern ein Exemplar des vorliegenden Giftmandats zugestellt werden (StAZH B III 243, S. 91-92).

Zum ZürcherLieu : Apothekerwesen vgl. Simon 1983 und Brecht 1976.

Texte édité


Wir Burgermeister und Rath der Stadt ZuͤrichLieu : Organisation : ,
thun kund maͤnniglich: Nachdeme Wir in sorgfaͤltige und Landesvaͤtterliche
Betrachtung gezogen, wie daß oͤftermalen aus den Apothecken so leichter Dingen und ohne
gehoͤrigen Unterscheid Gift aushin gegeben, und auch selbsten von fremden durch das Land reisenden Materialisten, Oel- und Teriac-Changement de police Kraͤmern Gift verkauft werde: Als haben Wir in Ruͤcksicht der deßwegen zu besorgen habenden
schaͤdlich- und hoͤchst-gefaͤhrlichen Folgen Uns bemuͤßiget gesehen, dieser Unvorsichtigkeit und mitfuͤhrender Gefahr mit Oberkeitlichem Ansehen vorzukommen; Weswegen dann Unser ernstliche Befehl und Meynung ist: Daß

Erstens: Niemandem als den Apotheckern und Materialisten Gift zu verkauffen erlaubt seyn solle; in der Meynung, daß sie es in abgesoͤnderten Trucken
wohl verwahret und verschlossen behalten sollen, und damit sie selbiges in benoͤthigtem Fahl ohne Gefahr und Verantwortung aushingeben koͤnnen, sollen sie, oder ihr
vorderster Gesell, denen das Gift allein solle anvertrauet seyn, solches nicht anderst, als auf Vorweisung eines dißfaͤllig authentischen und Oberkeitlichen Scheins verabfolgen lassen, und den Diensten oder Botten, so es abholen, verpittschiert uͤbergeben; da dann alle diejennigen, so Gift einkauffen wollen, sich zuvor entweder selbsten,
oder durch ihre Dienste, in welchem Fahl selbige mit einem von ihrer Herrschaft selbsten unterschriebenen und mit ihrem anerbohrnen Pittschaft bekraͤftigten BilletChangement de police, worinnen bestimmt ausgesezet ist, wie viel und worzu man das Gift begehre, auch bey wem man es kauffen wolle, sollen versehen seyn, bey Unserem bestellten Großweibel
anmelden, der dann dieses alles in ein dazu eigen bestimmtes Buch ordentlicher Massen einschreiben, und alsdann einem solchen Bekannten und Unverdaͤchtigen einen
gedruckten, mit dem erforderlichen DatoChangement de police unterzeichneten Schein, unter dem ausdruͤcklichen Bedingniß und ernstlichen Ansinnen geben solle, daß er selbigen dem Patronen
selbsten, oder wenigstens seinem vordersten Gesellen uͤberliefere, da dann den Kaͤufferen ernstgemeynt anzusinnen ist, daß sie das Gift wohl verschlossen verwahren, und
daß sie in Brauchung desselben so behutsam und sorgfaͤltig als nur immer moͤglich hiermit umgehen, damit auf keine Art Ungluͤck dadurch entstehen koͤnne. Anbelangende

Zweytens: Unsere Angehoͤrigen auf der Landschaft; Als ergehet an selbige Unser goͤnstiges Ansinnen, daß sie sich, allenfahls sie Gift benoͤthiget waͤren, bey
Unseren jeden Orts verordneten Ober- und Landvoͤgten, oder Pfarrer, hierum anmelden sollen, die dann auf gleiche Art, wie obangedeutet, zu Werke zu gehen, und
ihnen hieruͤber die angeregte Anleitung zu geben sich bestens angelegen seyn lassen werden.

Drittens: Gebieten wir allen und jeden Faͤrberen, Indienne-Truckermeistern, und uͤbrigen Profeßionisten, welche zu ihrer Handthierung, fuͤrnehmlich zum
Gebrauch der Farben unentbehrlich Gift bedoͤrfen, und selbiges von den hiesigen Apotheckeren und Materialisten kauffen, und verwahrnen sie hiermit alles Ernsts, daß
sie solches Gift nach obangeregter Anleitung bey jennen begehren, und nachdem es ihnen verpittschiert wird zugeschickt seyn, sie die Meistere der Vermischung der CompositionChangement de police selbst beywohnen sollen, bis die gesuchte Farb herausgebracht, und von den dazu gebrauchten DroguenChangement de police nichts uͤbrig, noch weiters etwas zu befahren ist. Deßgleichen ist denselben ebenfahls bey hoͤchster Ungnade und Strafe kraͤftigst angesinnet, fahls sie das Gift en GrosChangement de police aus der Fremde selbst beschicken, dasselbe an ein sicheres
Ort aufzubehalten, vor den Ihrigen wohl zu verschliessen, bey dem Gebrauch desselben vorbedeuteter strengsten Behutsamkeit sich zu befleissen, auch weder Einheimischen
noch Fremden davon nicht das wenigste zu verkauffen, noch sonst unter einigem Vorwand zu verabfolgen.

Viertens: In Ansehnung des bisanhin mit vernachlaͤßigter Vorsichtigkeit getriebenen Handels von Mauͤs- und Ratten-Gift, da hierdurch die Privat-Sicherheit nicht minder in Gefahr ist, zumahlen darunter gemeinlich ArsenicumChangement de police gemischet wird, ist Unser enstgemeinte Will, daß solche Handelschaft fuͤr das Koͤnfftige und
von nun an allen und jeden Kraͤmeren und Particularen gaͤnzlich untersagt und verbotten, die hierzu erforderliche Gift-IngredienzienChangement de police auch nicht anders als unter den
vorangezeigten Bedingen gesucht, aushingegeben und behandlet werden sollen.

Fuͤnftens: Geschiehet Unser fernere Befehl an die Apothecker und Materialisten, daß sie nach Verfluß des JahrsPériode : 1 année diese ihnen zugekommene Scheine Unserem
bestellten Großweibel wiederum uͤberlieferen, und in Beyseyn eines von Unsern verordneten Sanitaͤt-Raͤthen gegen obbedeutetes Buch genau und ordentlich halten sollen:
Alles in der ausdruͤckenlichen Meynung und Befehl, daß fremden und unbekannten Leuthen, unter was Vorwand es immer waͤre, die Bewilligung, Gift zu kauffen,
nicht gestattet werden solle; Deßgleichen verbieten Wir auch gaͤnzlich und bey schwerer Verantwortung und Straf, daß weder fremde durch das Land reisende Materialisten, Oel- und TeriacChangement de police-Traͤgere Gift zu verkauffen, noch auch daß jemand von Unseren Verburgerten und Angehoͤrigen von ihnen Gift abzunehmen sich unterstehen.

Wir versehen Uns aber zu jedermaͤnniglich, man werde vermittelst gehorsamer und schleuniger Nachlebung dieses Unsers Mandats sich selbst rorÀ corriger en : vora Straf und Ungnad
zu seyn wohl wissen; darum Wir auch diesere nuͤtzliche Verordnung, damit selbiger desto geflissener Folge geleistet, Schaden und Gefahr sorfgfaͤltigst verhuͤtet, mithin
Unsere heilsame Absicht erreicht werde, durch den Druck offentlich bekannt machen, und zu noͤthiger Nachricht und Verhalt ab offener Canzel zu Stadt und Land verlesen und verkuͤndigen lassen.

Geben den 14. Weinmonats, nach Christi Unsers Lieben Herrn und Heilands Geburt
gezehlt Eintausend, Siebenhundert, Siebenzig und Zwey Jahre
Date : 14.10.1772
.

Canzley der Stadt ZuͤrichLieu : Organisation : .
[fol. v]Saut de page
[Note dorsale au verso en haut à droite par une main du XVIIIe siècle :]
Gifft-mandat
1772Date : 1772.

Annotations

  1. À corriger en : vor.