SSRQ ZH NF II/11 162-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 11: Die Obervogteien um die Stadt Zürich, von Ariane Huber Hernández und Michael Nadig
Zitation: SSRQ ZH NF II/11 162-1
Lizenz: CC BY-NC-SA
Appellation und Urteil des Grossen Rats im Konflikt zwischen Tischmacher Johannes Frymann von Fluntern und den Meistern des Tischmacherhandwerks betreffend die Ausführung von Arbeiten innert den Kreuzen
1758 März 2.
Stückbeschreibung
- Signatur: StArZH VI.US.A.2.:37
- Originaldatierung: 1758 März 2 Überlieferung: Original, Heft (6 Blätter)
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 22.0 × 36.5
- 1 Siegel:
- Sekretsiegel der Stadt ZürichPerson: , Wachs, rund, aufgedrückt, gut erhalten
- Sprache: Deutsch
Weitere Überlieferungen
- Signatur: StArZH VI.HO.A.4.:95
- Originaldatierung: 1758 März 2 Überlieferung: Original, Heft (6 Blätter)
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 22.0 × 37.0
- 1 Siegel:
- Sekretsiegel der Stadt ZürichPerson: , Wachs, rund, aufgedrückt, fehlt
- Sprache: Deutsch
- Signatur: StArZH VI.EN.LB.A.5.:66
- Originaldatierung: 1758 März 2 Überlieferung: Original, Heft (6 Blätter)
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 22.0 × 36.5
- 1 Siegel:
- Sekretsiegel der Stadt ZürichPerson: , Wachs, rund, aufgedrückt, gut erhalten
- Sprache: Deutsch
- Signatur: StArZH VI.RB.A.4.:7
- Originaldatierung: 1758 März 2 Überlieferung: Original, Heft (6 Blätter)
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 22.0 × 36.5
- 1 Siegel:
- Sekretsiegel der Stadt ZürichPerson: , Wachs, rund, aufgedrückt, gut erhalten
- Sprache: Deutsch
- Signatur: StArZH VI.OS.A.5.:68
- Originaldatierung: 1758 März 2 Überlieferung: Zeitgenössische Abschrift
- Beschreibstoff: Papier
- Format B × H (cm): 20.0 × 31.0
- Sprache: Deutsch
Kommentar
Die Frage, ob Gemeindegenossen auch innerhalb der Stadtkreuze arbeiten konnten und ob sie auch in anderen Gemeinden tätig werden durften, war für alle direkt an die Stadt angrenzenden Gemeinden von Interesse. Die sieben Gemeinden schlossen sich hier zusammen, um anhand des Falls von Johannes FrymannPerson: gemeinsam ihre Interessen vor dem RatOrganisation: zu vertreten. Daher gibt es zu diesem Fall eine relativ breite Parallelüberlieferung in mehreren Gemeindearchiven, vor allem EngeOrt: /LeimbachOrt: , HottingenOrt: und FlunternOrt: . Der Fall FrymannPerson: zog sich über längere Zeit hin:
Eine erste Auseinandersetzung endete mit der auch in dieser Urkunde mehrfach zitierten Ratserkenntnis von 1735, welche besagte, dass innerhalb der Kreuze die Arbeit an Neubauten sowie namhafte Umbauten den städtischen Meistern des TischmacherhandwerksOrganisation: zustehe (StArZH VI.FL.A.2.:27; Abschriften: StArZH VI.HO.A.3.:70; VI.EN.LB.A.5.:56; VI.OS.A.5.:53; VI.FL.A.5.:160; Regest: QZZG, Bd. 2, Nr. 1322). Am 4. Oktober 1756 wurde FrymannPerson: von den Meistern des TischmacherhandwerksOrganisation: wiederum gebüsst (StArZH VI.HO.A.4.:89; VI.EN.LB.A.5.:63; VI.FL.A.5.:160a), was er aber nicht akzeptierte und den Fall unter Berufung auf das Urteil von 1735 vor das Zunftgericht der Zunft zur ZimmerleutenOrganisation: weiterzog. Die Tischmacher stellten FrymannPerson: daher am 19. November 1756 einen Appellationsrezess aus (StArZH VI.HO.A.4.:90; VI.FL.A.5.:160b). Das von der Zunft am 27. Januar 1757 gefällte Urteil wurde vollständig in die vorliegende Urkunde inseriert (StArZH VI.HO.A.4.:91; VI.EN.LB.A.5.:65; VI.FL.A.5.:160c). FrymannPerson: nahm auch dieses Urteil nicht hin und gelangte an den Kleinen RatOrganisation: , der das Geschäft am 16. Mai 1757 an den Grossen RatOrganisation: überwies (StArZH VI.HO.A.4.:92). Unterstützt wurde FrymannPerson: dabei von den sieben direkt an die Stadt angrenzenden Gemeinden. Sie befürchteten einen Präzedenzfall, nach dem weitere Handwerke ihre Gemeindegenossen verklagen und ihre Handlungsspielräume einschränken würden, wenn die Tischmacher Erfolg hätten. Die Gemeinden argumentierten, dass die Bewohner innerhalb der Kreuze früher das Bürgerrecht erwerben und den Zünften beitreten konnten; jetzt aber sei ihnen dies verwehrt. Auch reichten die Gemeindegebiete früher bis an die Ringmauer, während die Vorstädte und Fortifikationen jetzt zur Stadt gehören würden (StArZH VI.HO.A.4.:93). Ganz ähnlich hatten die Vertreter der Gemeinde bereits 1667 argumentiert in einem Konflikt, in dem es ebenfalls um Arbeiten durch einen nichtzünftigen Tischmacher ging (SSRQ ZH NF II/11 124-1). Der Grosse RatOrganisation: beauftragte eine Kommission mit der Untersuchung des Falls, die ihren Bericht am 22. September 1757 einreichte (StArZH VI.HO.A.4.:94). Am 2. März 1758 fällte schliesslich der Grosse RatOrganisation: das vorliegende Urteil, das in den Ausfertigungen für UnterstrassOrt: , HottingenOrt: , EngeOrt: und RiesbachOrt: überliefert ist. Aus FlunternOrt: , wo FrymannPerson: herkam, ist keine Version überliefert. Aus OberstrassOrt: , wo die strittigen Arbeiten ausgeführt wurden, ist nur eine Abschrift erhalten, dafür liegt dort ein Zettel zu den Prozesskosten bei (StArZH VI.OS.A.5.:68).
Zur Rechtsstellung der Bewohner innerhalb der Kreuze vgl. SSRQ ZH NF II/11 60-1; zu den seit 1660 zur Stadt gehörenden Gebieten der Vorstädte und Fortifikationen vgl. SSRQ ZH NF II/11 122-1; zum Bauhandwerk innerhalb der Kreuze und in den Wachten um die Stadt vgl. Strolz 1970, S. 60-68.
Editionstext
Wir, burgermeister, klein und große räth der sattKorrigiert aus: statta ZürichOrt: Organisation: , urkunden hiermit offentlich, demenach in heütig unserer rathsversamlung vor uns am rechten und in appellatorio gegen einanderen streitig erschiennen unser getreüe, liebe angehorige Johannes FrymannPerson: , der thischmacher von FlunterenOrt: , wie nicht weniger auf zugestattet unserige bewilligung hin haubtmannIn der Vorlage: haubtma Heinrich KollerPerson: , Heinrich UnholtzPerson: , Salomon SchmiedPerson: , haubtmannIn der Vorlage: haubtma Heinrich NotzPerson: , Jonas HuberPerson: , Andreas KrautPerson: , samtliche untervögte, und sekelmeister Johannes LandoltPerson: als abgeordneten von denen nächst um die statt ligenden siebenMenge: 7 ehrsammen gemeinden und wachten, benammtlichen WiedtikenOrt: , RiespachOrt: , UnterstraaßOrt: , FlunterenOrt: , HottingenOrt: , OberstraaßOrt: und EngiOrt: an einem; danne unsere allerseiths liebe und getreüe burger, handwerkspfleger Felix WaserPerson: , lieutenantIn der Vorlage: lieutnt Rodolph KellerPerson: , handwerksschreyber Rodolph RordorffPerson: und ladenmeister Ludwig WäberPerson: nammens und von wegen eines ehrsamen handwerks der thischmacherenOrganisation: allhier, in zustand unsere für- und geliebten mitträthen einer loblichenIn der Vorlage: lobl zunfft zun ZimmerleüthenOrganisation: , an dem anderen theil, [S. 2]Seitenumbruch betreffend erstlich die von dem FrymannPerson: in dem gesellenhauß an der Oberen StraaßOrt: gemachte thischmacher arbeith und darüber von der allhiesigen meisterschafft der thischmacherenOrganisation: ihme auferlegte und von denen vorgesetzten besagt loblicherIn der Vorlage: lobl zunfft zun ZimmerleüthenOrganisation: gutgeheißene geltbueß, und zweytens die danahen entstandene einfrage obverdeütet siebenMenge: 7 ehrsammen gemeinden, ob die ihrigen gemeinds genoßen in denen innert den creützen gelegenen häuseren arbeith verfertigen mögind, oder aber ob denen allhiesigen thischmacheren das recht, innert den creützen zu arbeithen, allein zudienen solle? Wie dann, was den ersten puncten anbetrifft, die appellations urtheil von unseren für- und geliebten mitträthen, denen vorgesetzten einer loblichenIn der Vorlage: lobl zunfft zun ZimerleüthenOrganisation: , in mehrerem ausweiset, welche von worth zu worth also lautet:
Da meister Johannes FrymannPerson: , der thischmacher von FlunterenOrt: , uns klagend vorgebracht, wie daß eine ehrsamme meisterschafft der schreinerenOrganisation: ihne um ein büeßlin von drey pfundWährung: 3 Pfund beleget habe, weilen er in dem gesellenhauß an der OberenstraaßOrt: innert den creützen flikarbeith (benamtlichen ein gantz neües thäffel von einer gantzen face, zweyMenge: 2 neüe thüren samt verkleidung, neüe [S. 3]Seitenumbruch fensterfueter und einen theil eines bodens nebst anderen kleinigkeiten) gemachet habe, er aber beglaubt seye, daß solche straff unbefüegter weise und zu wieder einer von mnghhAbkürzung räth und burgerOrganisation: unter dem 17. januariiIn der Vorlage: janrii 1735Datum: 17.1.1735 dießfahls halben ergangenen erkantnuß1 beschehen seye, hoffe also, er werde von dieser bueß mit recht befreyet werden.
Herr handwerks pfleger NüschelerPerson: hingegen, in zustand der samtlichen ladenmeisteren eines ehrsammen handwerks der thischmacherenOrganisation: , die von ihrer ehrsammen meisterschaft wieder den FrymannPerson: ausgesprochene urtheil mit folgenden vor und haubtgründen unterstützet: Daß wann
1o sie geglaubt hätten, daß der meister FrymanPerson: von jemadKorrigiert aus: jemandb aufgebracht wurde, der meisterschafft so viel zeith versaumnuß wieder alles recht zu verursachen, so hatten sie keines wegs cediert (wie solches aus respect gegen den hghhAbkürzung amtsobervogt beschehen seye), in der quaestionierenden arbeith vortzufahren.
2o Wann sie vermutet hätten, daß der FrymannPerson: sich vor das konfftige nicht erklähren wurde, dergleichen nammhafften arbeith sich gäntzlich zu entaüßeren, so wäre er nach proportion [S. 4]Seitenumbruch des eingriffs um ein merkliche bueß beleget worden.
3o Haben sie durch ihr 22 jährigesZeitspanne: 22 Jahre betragen gegen den mstrAbkürzung FrymannPerson: genuegsamm an den thag geleget, daß ihnen das processieren sehr odios seye, sonsten sie ihne zu verschiedenen mahlen hätten angreiffen könen. Da er aber all zu weit um sich greiffen wollen, seyen sie genöthiget worden, ihne, FrymannPerson: , nach ihren klaren rechten durch ein geringe bueß zu wahrnen. Mithin und
4to gestehe der meister FrymannPerson: , als ein gemeindsgenoß von FlunterenOrt: in dem gesellenhaus einer anderen gemeind, namlich an der OberenstraaßOrt: , 1o ein neües thäffel langs einer neüen face, 2o zweyMenge: 2 neüe thüren samt verkleidung, 3o neüe fenster fueter, 4o den größesten theil eines stuben bodens etcAbkürzung gemacht zu haben, nenne zwahr dieß alles nur eine flikarbeith, glaube auch, daß er krafft der von unghhAbkürzung räth und burgerOrganisation: under dem 17ten januariiIn der Vorlage: janrii 1735Datum: 17.1.1735 durch mehrheit der stimmen ausgefelten erkantnuß deßen wohl berechtiget zu seyn.
5o Nun seye eben diese erkantnuß ihrer einer ehrsammen meisterschaffft der thischmacherenOrganisation: einziger und bester degen, mit welchem sie sich in diesem fahl zu deffendieren gedenkind, angesehen es bey selbiger vornehmlich die frag ware, ob der thischmacher FrymannPerson: von FlunterenOrt: [S. 5]Seitenumbruch oder ein anderer gebohrner gemeinds genoß zu FlunterenOrt: in denen in gedachter gemeind innert denen creützen gelegenen haüseren arbeith verfertigen mögind, oder ob denen thischmacheren allhier das recht innert den kreützen zu arbeiten allein zudienen solle? Worüber folgender schluß ergangen seye, daß bey denen innert den creützen zu FlunterenOrt: vorfallenden neüen aufrichtungen oder sonsten bey nammhafften haubtabänderungen der eingebaüden die arbeith den hiesigen thischmacheren, nicht aber dem FrymannPerson: von FlunterenOrt: oder einem thischmacher von FlunterenOrt: Nota BeneIn der Vorlage: NB zu verfertigen gebühren solle, auf welchem schluß
6o es sich auf das kläreste ergebe, daß der thischmacher FrymannPerson: doppelt darwieder gehandlet habe. Einerseiths, weilen er als ein gemeindsgenoß von FlunterenOrt: , demme nur erlaubt seye, in seiner gemeind innert den creützen flikarbeith zu machen, sich understanden habe, in einer anderen gemeind gar nammhaffte arbeith zu verfertigen, anderseiths, daß er hier mit in dem gesellenhauß an der OberenstraaßOrt: folgsamm aussert seiner gemeind innert den creützen (worbey ein gantz neüer schildt aufgebauen und die structur in den eingebaüd, wie auch thüren und liechter, auf eine nammhaffte weise abgeänderet und alle darzu nöthige handwerk, als schloßer, glaser, maurer, zimmerleüth, einig der thischmacher ausgenommen, deren arbeith doch eine der beträchtlichsten darbey gewesen seye, gebraucht worden) nicht flikarbeith, deren er zwahren außert der gemeind auch nicht befüegt seye, sonder nach seiner eigenen gestandnuß [S. 6]Seitenumbruch nammhaffte stukarbeith, als ein gantzes gewänd längst der neü aufgeführten face, gantz neue und nicht geflikte thüren samt den verkleidungen, ein fast neüer boden und dergleichen verarbeitet habe. Endlich und
7o werde der richter leicht einsehen, daß, wann dergleicherKorrigiert aus: dergleichenc arbeit als flikarbeith mußte betittlet werden, mann im stand wäre, unter diesem tittul ein gantzes haus (nammlich das einte jahr die, das andere diese und das dritte jenne faceKorrigiert aus: )d aufzubauen und darmit die angeregte erkantnuß von anno 1735Datum: 1735 zwahr nicht des orths, wohl aber der arbeith halber gäntzlich zu eludierenUnsichere Lesunge)Korrigiert aus: f, lebind also aus angefüerten unumstößlichen gründen der vesten hoffnung, die hhAbkürzung zunfftvorgesetzte werdind mit bestem rechten finden, daß der FrymannPerson: gar wohl und leicht gestrafft und zur bezahlung der bestimten kleinen bueß, auch nicht minder zur uachlebungKorrigiert aus: nachlebungg der erkantnuß vom 17. januariiIn der Vorlage: janrii 1735Datum: 17.1.1735 so wohl des orths, allwo er zu arbeiten befüegt, als der orth der arbeith rechtlich anzuhalten seye.
Als ward von denen hhAbkürzung zunfftvorgesetzten in genaüer überlegung der gründen und gegengründen und sorfaltiger einsehung der unter dem 17. januariiIn der Vorlage: janrii 1735Datum: 17.1.1735 von unghhAbkürzung räth und burgerOrganisation: per maijora emanierter erkantnuß einhellig erkent,
daß es von einem ehrsammen handwerk der thischmacherenOrganisation: wohl gesprochen, hingegen von dem meister FrymannPerson: übel appelliert seyn solle. [S. 7]Seitenumbruch Welchen spruch aber er, meister FrymannPerson: , an ughhAbkürzung die hhAbkürzung kleinen räth appelliert, deßnahen ihme auf sein begehren hin gegewehrtiger appellations recess zugestellet worden.
Actum donstags, den 27ten januariiIn der Vorlage: janrii 1757,Datum: 27.1.1757 presentibusIn der Vorlage: prsbs hhAbkürzung amts zunfftmeister WerdmüllerPerson: , räth und zwölffOrganisation: .
Zunfftschreyber H. H. VogelPerson:
Regest