SSRQ SG III/4 intro
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, XIV. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, Dritter Teil: Die
Landschaften und Landstädte, Band 4: Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft
Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft
Hohensax-Gams, par Sibylle Malamud
Citation : SSRQ SG III/4 intro
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Table des matières
- Vorwort des Präsidenten
- Vorwort der Bearbeiterin
- Einleitung
- 1 Zur Rechtsquellenedition der Region Werdenberg
- 2 Geschichtlicher Überblick
- 2.1 Die Grafschaft Werdenberg bis 1517
- 2.2 Werdenberg als Glarner Landvogtei
- 2.3 Gerichtsorganisation von Werdenberg zur Grafen- und Landvogteizeit
- 2.4 Die Herrschaft Wartau
- 2.5 Die Freiherrschaft Sax
- 2.6 Die Freiherrschaft Frischenberg
- 2.7 Die Herrschaft Hohensax-Gams bis 1497
- 2.8 Hohensax-Gams als gemeine Herrschaft von Schwyz und Glarus
- 2.9 Gerichtsorganisation von Hohensax-Gams zur Zeit der Freiherren und der gemeinen Herrschaft
- 2.10 Die Freiherrschaft Sax-Forstegg bis 1500
- 2.11 Die Freiherrschaft Sax-Forstegg nach 1500
- 2.12 Sax-Forstegg als Zürcher Landvogtei
- 2.13 Stadt und Gemeinden
Vorwort des Präsidenten
Mit dem vorliegenden Band kann ein weiterer wichtiger Baustein in das umfangreiche
Gesamtgefüge der St.
Galler Beiträge zur Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen eingesetzt werden. Mit
Blick auf die Region schliesst diese Edition nun auch die Lücke zwischen den bereits
erschienenen Sammlungen im Rheintal und
im Sarganserland. Damit ist nun der ganze zur Alten Eidgenossenschaft gehörige Raum
des Alpenrheins rechtsquellenmässig erschlossen.
Die Werdenberger Rechtsquellen imponieren nicht nur durch den Umfang der Edition, sondern
auch durch ihre historische Mannigfaltigkeit. Sie sind in einem Zeitraum von über 700
Jahren entstanden, zeugen von diversen unterschiedlichen Herrschaftstraditionen und
beschlagen eine Vielzahl verschiedener Rechtsgebiete. Auf mittelalterliche Quellen zu
Eigentums- und Herrschaftsrechten folgen frühneuzeitliche Dokumente zu Gerichtsherrschaft
und Gerichtsbarkeiten, Privilegien und Regalien, Verwaltungsorganisation, -reform und
staatsrechtlichen Verhältnissen zu den Ständen der Eidgenossenschaft, über
Genossenschaften, Ämter und Kompetenzen, Ehe- und Erbrecht, Sittenmandate und
Polizeiordnungen, Strafrecht, Gesundheitswesen und Zoll. Sogar eine Quelle über
«Abwehrzauber gegen Hexen, böse Menschen und Geister» aus der Zeit des Prozesses gegen
Anna Göldi in Glarus findet sich im vorliegenden Band. Die beiden letzten der 259
Rechtsquellen dokumentieren die Entlassung von Werdenberg und Gams in die Freiheit durch
Glarus bzw. Schwyz im Jahr 1798.
Die Werdenberger Rechtsquellen stellen der rechts- und regionalhistorischen Forschung
wesentliches Material für neue Studien zur Verfügung. In dieser regionalgeschichtlich sehr
aktiven Region wird das neue Quellenwerk rasch fruchtbare Verwendung finden.
Die vorliegende Druckversion ist zugleich Referenzpublikation der ersten Editionseinheit,
die vollumfänglich digital erarbeitet wurde. Im seit 2018 aufgeschalteten Portal der
Rechtsquellenstiftung (SSRQ-online) finden sich die mit TEI-ausgezeichneten digital
erarbeiteten Texte. Neben der Volltextsuche stehen verschiedene Suchfunktionen, darunter
die Suche nach den Entitäten Person, Ort, Organisation und Konzept
(Schlagworte/originalsprachliche Lemmata) sowie Faksimiles der edierten Stücke zur
Verfügung. Die digital erstellten und miteinander verlinkten Orts-, Personen- und
Sachindices sowie das Glossar enthalten wertvolle Schlüsselinformationen (z. B.
Lebensdaten, Verwandtschaftsbeziehungen, Ortsidentifikationen, Worterklärungen), die
durchsuchbar sind. Zudem muss als Mehrwert die Erschliessung der Werdenberger Quellen in
den Archivinformationssystemen der beteiligten Archive (LAGL, StASG, StAZH) erwähnt werden.
Die Publikation dieses grossen Werks wurde nur dank dem unermüdlichen Einsatz und der
grosszügigen Unterstützung durch folgende Personen und Institutionen möglich. Der Dank der
Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins geht zuerst an die langjährige
Bearbeiterin, Dr. Sibylle Malamud, auf deren wertvolle und zuverlässige Dienste die
Stiftung während vielen Jahren zählen durfte. Ferner gilt der Dank Dr. Pascale Sutter für
die bewährte wissenschaftliche und administrative Projektleitung. Dr. Bernhard Ruef hat
die zahlreichen Herausforderungen im Bereich der Informatik bewältigt. Dank gebührt sodann
für sprachwissenschaftliche Beratung Dr. Hans-Peter Schifferle, Schweizerisches Idiotikon.
Für die Karte zeichnet Alexander Hermann vom Geographischen Institut der Universität Bern
verantwortlich. Der Druck erfolgte durch die Dike-Verlag AG, Zürich/St. Gallen. Bei der
Erfassung und Verwaltung der Literatur hat sich die Zusammenarbeit mit der Schweizerischen
Nationalbibliothek bewährt, indem alle verwendeten Publikationen in der Bibliographie der Schweizergeschichte (BSG) verzeichnet werden. Hierfür sei
Christian Aliverti und seinen Mitarbeitenden gedankt.
Sodann gebührt grosser Dank auch den Geldgebern, welche die Finanzierung des Projekts
ermöglicht haben. Es sind dies der Lotteriefonds des Kantons St. Gallen, die Gemeinden
Buchs, Gams, Grabs, Sevelen und Sennwald, der Friedrich-Emil-Welti-Fonds, Bern, die Walter
und Verena Spühl-Stiftung, der Lotteriefonds des Kantons Glarus, der Lotteriefonds des
Kantons Zürich, der Lotteriefonds des Kantons Schwyz, die Historisch-Heimatkundliche
Vereinigung der Region Werdenberg und der Historische Verein des Kantons St. Gallen. Ihnen
allen gebührt grosser Dank.
Für die Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins,
Prof. Dr. Lukas Gschwend, St. Gallen/Rapperswil-Jona, im Juli 2020
Vorwort der Bearbeiterin
Während den sechs Jahren, in denen ich mich mit den Rechtsquellen der Region Werdenberg
auseinandersetzte, bin ich in Archiven längst vergangenen Geschichten und Personen
begegnet, auf die ich bei der Durchsicht, dem Zusammentragen und Transkribieren der Akten
und Urkunden traf. Die alten Schränke, Gestelle und Tablare mit ihren staubigen Schachteln
und schweren, dunklen Büchern erweckten jedes Mal von Neuem meine Neugierde auf längst
Vergangenes. Ich habe mich aber nicht nur mit der Werdenberger Vergangenheit beschäftigt
oder längst Vergangenes ans Tageslicht befördert, sondern auch viele Facetten des
heutigen, lebendigen Werdenberg kennengelernt. Es ist eine Region, in der modernes und
historisches sehr eng beeinander liegen. Die Wege zu den Schriftstücken führten mich über
ausgebaute, breite Strassen, steile Treppen, enge, kleine Gassen, moderne Liftaufzüge oder
verwinkelte Strässchen in feuchte Kellergewölbe, in Übungs- und Gemeinderäume, in
klimatisierte Büros oder in grosse Industriehallen. Manchmal breitete ich die Urkunden auf
grossen Konferenztischen oder auf einem Schülerpult in einer Privatwohnung aus oder
stellte meinen Laptop auf eine aus Büchern und Brettern zusammengebastelte Ablage. Häufig
fror ich in gut gekühlten Archivräumen an Händen und Füssen, obwohl ich in weiser
Voraussicht trotz angekündigten 30 Grad warme Kleidung und Handschuhe eingepackt
hatte.
Auf meinen Besuchen bin ich auch vielen netten, interessanten, hilfsbereiten Menschen
begegnet. So bleiben mir viele unvergessliche Momente: Gerne erinnere ich mich an das
Abendessen am Werdenberger See an einem heissen Sommerabend mit meiner Freundin aus dem
Münstertal, die jetzt am Grabser Berg wohnt, oder an die interessanten Diskussionen mit
Carolin Krumm von den Kunstdenkmälern Werdenberg im Garten vom «Öpfelbom» in Buchs. In
schöner Erinnerung bleibt mir auch mein Besuch bei Alois Dürr, der mir bei einer Tasse
Kaffee alles über Bienen beibrachte, was ich heute noch weiss, und dessen Bienenstöcke ich
besichtigen und dessen feiner Honig ich kosten durfte. Um mir den langen Heimweg nach
Zürich zu ersparen, habe ich manchmal im malerischen Dörfchen Sax im historischen
Schlössli Sax übernachtet, wo mich die Familie Theus wunderbar und gastfreundlich bewirtet
hat. Was gibt es Schöneres als an einem lauen Sommerabend bei einem Gläschen Weisswein auf
der Terrasse vor dem Schlössli zu sitzen, den Blick über das Rheintal schweifen zu lassen
und das feine Essen zu geniessen?
An erster Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei der Rechtsquellenstiftung des
Schweizerischen Juristenvereins, dem Präsidenten, Prof. Dr. Lukas Gschwend, den
Mitgliedern der Kommission sowie der wissenschaftlichen Leiterin, Dr. Pascale Sutter,
bedanken. Mein ganz spezieller Dank geht an Dr. Pascale Sutter für ihre jahrelange
Projektbetreuung, Hilfe, tatkräftige Unterstützung, ihre Korrekturen und Anregungen. Sie
nahm sich für meine kleinen und grossen Fragen immer die nötige Zeit, hatte immer ein
offenes Ohr für alle meine Probleme und half mir weiter, wenn ich mich in einer Sackgasse
befand. Besonders sei auch Dr. Beni Ruef und Dr. Natalia Korchagina für ihre unermüdliche
Unterstützung in allen informatischen und computerlinguistischen Belangen herzlichst
gedankt. Auch Dr. Adrian Collenberg möchte ich für seine Korrekturen der Einleitung
herzlich danken.
Mein Dank geht auch an Dr. Hans-Peter Schifferle, Chefredaktor des Idiotikons, und sein
Team für die kompetente Hilfe bei unklaren Wortbedeutungen. Ebenso möchte ich mich bei
Prof. Dr. Hans Stricker, Verfasser der Werdenberger Namenbücher, bedanken, der mir bei
unsicheren Lokalisierungen von Ortsbezeichnungen mehr als einmal geholfen hat. Besonderen
Dank geht an Stefan Gemperli, lic. phil. I, vom Staatsarchiv St. Gallen und an Dr. Fritz
Rigendinger vom Landesarchiv Glarus, die mir die bereits online verzeichneten Bestände zu
Werdenberg über Excel zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt haben. Für den
reibungslosen Ablauf beim Hin- und Rückspielen der Daten danke ich Beat Mahler, Martin
Jenny und Patric Schnitzer. Für die Erstellung der Digitalisate der Urkunden und Akten aus
dem Staatsarchiv St. Gallen, die jetzt auf dem online-Portal der SSRQ frei einsehbar sind,
danke ich Claudia Privitera.
Danken möchte ich auch Hans Jakob Reich und dem Historischen Verein Werdenberg, ohne
deren Initiative und Engagement heute keine Rechtsquellen vorliegen würden. Mein weiterer
Dank geht an Prof. Dr. Stefan Sonderegger und an Heinz Gabathuler, die mir bei vielen
Fragen und Unklarheiten weitergeholfen haben.
Für die spontane, ehrenamtliche Hilfe vieler Archivarinnen und Archivare,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rechtsquellenstiftung, Historikerinnen und
Historiker, Freunde und Bekannte möchte ich mich besonders bedanken: stellvertretend für
sie alle danke ich namentlich Michael Berger, Mathias Bugg, Dr. Cornel Dora, Dr. Peter
Erhart, Dr. Albert Fischer, Dr. Moritz Flury, Stefan Gemperli, Dr. Werner Hagmann, Nicole
Hanselmann, Dr. Andreas Ineichen, Susanne Keller, Dr. Carolin Krumm, Dr. Jakob Kuratli,
Werner Kuster, Dr. Oliver Landolt, Beat Mahler, Dr. Fritz Rigendinger, Patric Schnitzer,
Christian Sieber, dem Team der SSRQ ZH, Rupert Tiefenthaler, Karin von Wartburg (BSG),
Elodie Wälti (BSG), Regula Wyss und Dr. Regula Zürcher.
Für die Hilfe, das Vertrauen und das Interesse aller Betreuerinnen und Betreuer der
Orts-, Gemeinde-, Kirchen-, Pfarr- und Privatarchive, die uns den Zugang zu den Quellen
überhaupt ermöglichten, möchte ich ganz besonders danken Frau Anghern, Rony Dürr, Andreas
Eggenberger, Josef von Felten, Stephan Fuchs, Daniel Göldi, Alma Guntli, Karl-Heinz
Haedener, Hanspeter Lenherr, Karl Lenherr, Mathäus Lippuner, Olivia Loher, Lilly Müller,
Hanna Rauber, Samuel Rhyner, Jakob Tinner, Elsbeth Wenk, Irene Wenk und allen, die ich
namentlich vergessen habe.
Zum Schluss danke ich ganz herzlich meiner Familie, die mich bei den historischen Reisen
in die Region Werdenberg stets unterstützten. Sehr dankbar bin ich dabei auch meinem
Ehemann Dr. Peter Brun, der mir nicht nur als Partner sondern auch als promovierter
Historiker mit Rat und Tat immer zur Seite stand. Zu guter Letzt möchte ich auch allen
meinen Freundinnen und Freunden danken, die mir während der Entstehungszeit dieser Arbeit
mit vielen aufmunternden Worten und Gesprächen weiterhalfen.
Dr. Sibylle Malamud, Zürich, im Juni 2020
Einleitung
1Zur Rechtsquellenedition der Region Werdenberg
1.1Vorarbeiten zur Edition
Die Urkunden der Region Werdenberg sind bis Mitte des 14. Jh. ediert.1 Eine wichtige Ergänzung zum Urkundenbuch der
südlichen Teile des Kantons St. Gallen bilden die Editionen der Nachbarregionen: Die
Rechtsquellenbände Sarganserland und Rheintal, die Liechtensteiner, Vorarlberger oder
Bündner Urkundenbücher sowie das Urkundenbuch der Abtei St. Gallen.2 Das Chartularium Sangallense deckt die Urkunden aus dem
Kanton St. Gallen – mit Ausnahme der Bezirke Werdenberg, Sargans und Gaster – bis 1411
ab.3 Die vorliegende
Edition versteht sich als Fortsetzung und Ergänzung der bereits bestehenden Editionen.
In erster Linie werden unbekannte Schriftstücke ab dem 14. Jh. bis 1798
wissenschaftlich aufbereitet und ediert. Wichtige, bereits anderwärtig edierte Quellen
werden in Regestform wiedergegeben.
Hilfreich für die vorliegende Edition sind die Arbeiten von Niklaus Senn und Ulrich
Reich-Langhans. 1860 erscheint die Werdenberger Chronik von Niklaus Senn, eine
Mischung aus chronikaler Geschichtsschreibung, Regesten und Quellen, die er
chronologisch zusammenstellt;4 1883 folgt die «Chronik zur Veste und
Herrschaft Wartau».5 Senn ediert zudem einzelne Quellen, z. B. das Urbar
von Buchs von 14846 oder der formalisierte Ablauf eines Hochgerichts in der
Grafschaft Werdenberg.7 Wohl in Anlehnung an die Werdenberger Chronik
publiziert von 1921 bis 1932 Ulrich Reich-Langhans eine Chronik der Bezirke Werdenberg
und Sargans.8 Seine Chronik ist eine nicht chronologische, etwas
unübersichtliche Sammlung von Quellen, die manchmal thematisch, manchmal geographisch,
manchmal in nicht nachvollziehbarer Form geordnet sind. Der wissenschaftliche Nutzen
ist wegen der zahlreichen Fehllesungen, besonders bei älteren Texten,
beschränkt.9
Neuere lokalhistorische Editionen sind die Lizentiatsarbeit von Schwendener zum
Werdenberger Urbar von 1543 oder der Anhang von Graber in seiner Geschichte zur Burg Wartau.10 Ein zentrales
Rechtsdokument, das sogenannte Landbuch (Landrecht) der Zürcher Landvogtei
Sax-Forstegg von 1627, wurde von Hans Georg Aebi in seiner rechtshistorischen
Dissertation ediert.11 Es handelt sich um eine sehr gute Edition, die neben
einem geschichtlichen Abriss eine Untersuchung des Inhalts der Quelle und der weiteren
Überlieferungen enthält. Editionen einzelner Quellen finden sich auch im Werdenberger
Jahrbuch, wie z. B. der Schiedsspruch von 1476 über Grenzstreitigkeiten zwischen den
Gemeinden Gams und Sax von Noldi Kessler,12 das älteste Werdenberger Urbar von 1483/85 von Heinz Gabathuler13 oder die Werdenbergische Feuerordnung von 1770.14
Eine wichtige Ergänzung zu den Editionen bildet die fundierte Regestensammlung von
Emil Krüger, die 1887 als Teil seiner Monographie zu den Grafen von Werdenberg
erschienen ist und die noch heute als Grundlage zahlreicher Forschungsarbeiten dient.15 Ältere Regestensammlungen wie z. B. diejenigen von
Vanotti oder Lichnowsky gelten hingegen heute in vielfacher Hinsicht als überholt: Die
Quellenbelege sind ungenau oder fehlen gänzlich.16 Für die vorliegende Edition von grossem Wert ist das
2017 erschienene Werdenberger Namenbuch von Hans Stricker, das fast 13’000
geographische Namen mit Ortsbeschrieben, urkundlichen Belegen sowie Deutungen der
Namen enthält.17
Die ältere Geschichtsschreibung zur Grafschaft Werdenberg beschäftigt sich
vornehmlich mit der Geschichte der Grafen von Werdenberg.18 Die Grafengeschichte wurde in den letzten Jahrzehnten
durch zahlreiche Beiträge korrigiert und ergänzt. Zu erwähnen gilt es die Arbeiten von
Burmeister, Gabathuler und Bilgeri sowie die Ausführungen von Rigendinger zur
Entstehung und Ausbildung der Grafschaft Sargans.19 Eine neuere Monographie zu den Grafen von Werdenberg steht
jedoch aus. Mit dem Ende der Grafen von Werdenberg-Heiligenberg als Herren der
Grafschaft Werdenberg erlischt auch das Interesse an der Geschichtsschreibung der
Grafschaft. Der Aufsatz von Burmeister zur Geschichte der Grafen von Montfort-Tettnang
als Schlossherren von Werdenberg ist der einzige Beitrag, der sich mit der Grafschaft
im 15. Jh., nach der Zeit der Grafen von Werdenberg-Heiligenberg, beschäftigt.20 Burmeister schliesst damit in der Geschichte
der Herren der Grafschaft Werdenberg eine Lücke.
Neben der Grafengeschichte sind vor allem die im frühen 20. Jh. erschienenen
Dissertationen über die Rechtsgeschichte der Grafschaft Werdenberg von Beusch sowie
die Geschichte von Werdenberg unter Glarus von Winteler für den vorliegenden
Rechtsquellenband von Bedeutung.21 Die wohl aktuellste Monographie zu Werdenberg ist die
Lizentiatsarbeit von Dieter Schindler über Werdenberg als Glarner Landvogtei im 18.
Jh.22 Einzelne
Themenbereiche wie die Stadt Werdenberg, die Reformationszeit oder die Glarner
Landvögte wurden bereits von der älteren Historiographie ausführlich dargestellt.23
Die Historiographie zur Herrschaft Sax beginnt mit der Geschichtsschreibung über die
Herren von Sax.24 Ein Standardwerk ist die Dissertation von
Deplazes-Haefliger über die Geschichte der Herren von Sax bzw. von Sax-Hohensax.25 Die Historikerin löst sich von der personenzentrierten
Geschichtsschreibung und legt den Schwerpunkt auf die Herrschaftsbildung und
-entwicklung.26 Neben
den hier aufgeführten Gesamtdarstellungen zur Geschichte des Hauses Sax geraten immer
wieder einzelne Persönlichkeiten aus dem Hause Sax-Hohensax in das Visier der
Forschung, allen voran Ulrich VIII. von Sax-Hohensax27 und Johann Philipp von Sax-Hohensax.28
Betrachtet man die Literatur über die drei Saxer Teilherrschaften Sax-Forstegg,
Frischenberg und Hohensax-Gams, so werden diese in den Gesamtdarstellungen zu den
Sax-Hohensaxern bis zum jeweiligen Ende der Herrschaft der Freiherren in der Regel
berücksichtigt.29 Danach endet jeweils auch die Geschichtsschreibung.
Symptomatisch dafür steht Staehelins Geschichte von Gams, in welcher der Autor Gams
nach dem Verkauf 1497 vollständig aus den Augen verliert und stattdessen seine Gamser
Geschichte mit einer Geschichte über die Herrschaft Sax-Forstegg bis 1615 fortsetzt
und mit einem Exkurs über die Zürcher Herrschaft [!] beendet.30 Als gemeine Herrschaft von Schwyz und Glarus scheint
Hohensax-Gams mit der Gemeinde Gams nach 1497 ein historiographisches Niemandsland zu
sein. Als «Anhängsel» der Landvogtei Uznach-Gaster wird die Herrschaft
auch in der Geschichtsschreibung von Glarus oder Schwyz, wenn überhaupt, nur am Rande
erwähnt.31 Die «Beiträge zur Heimatkunde Gams» von Anton
Müller 1915 und die 1985 erschienene Geschichte von Noldi Kessler sind die einzigen
Werke, die sich mit der Geschichte von Gams auch nach dem Herrschaftswechsel 1497 beschäftigen.32
Etwas besser ist es mit Sax-Forstegg als Landvogtei von Zürich bestellt. Die einzige
umfassende Darstellung zur Herrschaft Sax-Forstegg als Zürcher Landvogtei stammt von
Hans Kreis.33 In der neueren Literatur greift nur Kuster in einem
Artikel über das Verhältnis der Herrschaft Sax-Forstegg zur Eidgenossenschaft die
Landvogteizeit unter Zürcher Obrigkeit ausführlicher auf.34
Das Werdenberg Jahrbuch vermag das Fehlen neuerer Monographien durch zahlreiche
lokal- und regionalgeschichtliche Beiträge zumindest teilweise auszugleichen.35 Die einzelnen Bände
enthalten Artikel zu einem Schwerpunktthema, wobei der Band über Verbrechen und Strafe
hervorzuheben ist.36 Seit 2018 erscheint eine
weitere Reihe in ähnlicher Form: Die «Werdenberger Geschichte/n».
1.2Editionsgrundsätze
Die vorliegende Rechtsquellensammlung wird nicht nur digital im Portal der
Rechtsquellenstiftung, sondern auch als interaktives PDF und in Buchform
publiziert.37 Die Erschliessung der archivischen Metadaten, die
digitale Edition der Texte mit Abbildungen sowie die Auszeichnung und
Datenbankerfassung der Registerforschungsdaten folgt den Editionsgrundsätzen der
SSRQ.38 Die Texte werden in XML39 nach dem TEI40 -Standard
erfasst. Die Auszeichnung von Personen, Orten, Organisationen, Konzepten und Begriffen
(Lemmata) in den Texten sowie die Erfassung der Registerforschungsdaten in den
Datenbanken der SSRQ und in der Forschungsinfrastruktur histHub ermöglicht es,
Personen oder Organisationen mit Standardnamen zu identifizieren, Orts- und Flurnamen
zu lokalisieren und originalsprachliche Begriffe in ihrer Bedeutung zu erklären.41
Die Transkription der Texte erfolgt nach den Transkriptionsregeln deutschsprachiger
Texte der Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen.42 Diese sind im SSRQ-Wiki dokumentiert; hier
die wichtigsten Grundregeln: Die Texte werden buchstabengetreu wiedergegeben, wobei
bis Ende des 18. Jh. grundsätzlich die Kleinschreibung gilt. Gross geschrieben werden
nur Satzanfänge sowie Personen- und Ortsnamen. Zur besseren Leserlichkeit werden
Interpunktionen gesetzt. Getrennt- und Zusammenschreibung von Wörtern folgen der
Vorlage, wobei im Zweifelsfall die heutige Schreibweise angewendet wird. Bindestriche
in der Textvorlage werden übernommen. Dreifache s (sss, sß, ßs) werden mit ss bzw. ß
aufgelöst. In der Onlineausgabe erscheint die Textvorlage in zwei Fassungen: In der
quellennahen Fassung werden Titel, Zeilenumbruch, Worttrennungen oder Abschnitte nach
der Textvorlage angezeigt. In der normalisierten Fassung ist der Text von der
Bearbeiterin strukturiert; Abkürzungen, Worttrennungen und Zeilenumbrüche sind
aufgelöst.
Einen Mehrwert bilden das Regest als Inhaltsangabe und die einleitenden Kommentare,
die dem Quellentext vorangestellt sind und die Hinweise auf weitere historische
Zusammenhänge und Quellen liefern. Für inhaltliche Ergänzungen werden sachkritische
Anmerkungen verwendet, die mit arabischen Ziffern dargestellt werden. Textkritische
Anmerkungen, Zusätze, Nachträge, Änderungen durch Streichungen, Auslassungen,
Ergänzungen, Textvarianten, unsichere Lesungen oder Fehler des Schreibers werden im
Text jeweils speziell gekennzeichnet. Unter der Stückbeschreibung erscheinen die
Editionsvorlage mit Signatur, die physische Quellenbeschreibung etc. sowie die Angaben
zu weiteren Ausfertigungen des Stücks. Bei beschädigten oder verschollenen Originalen
dient in der Regel die älteste Kopie als Vorlage. Die in der Edition zitierte
Literatur wird mit der Datenbank der Bibliographie der Schweizergeschichte (BSG) der
Schweizerischen Nationalbibliothek verlinkt, wo weitere Ressourcen – z. B.
Digitalisate von Zeitschriftenartikeln – zur Verfügung stehen.43
1.3Editionsgebiet
Die heutige Region Werdenberg befindet sich im südlichen Teil des St. Galler
Rheintals auf der linken Rheinseite und gehört seit 2003 als Region Werdenberg
(Wahlkreis) zum Kanton St. Gallen. Begrenzt wird die Region im Osten durch den Rhein
bzw. das Fürstentum Liechtenstein, im Süden durch die Region Sarganserland, im Norden
durch die Region Rheintal und im Westen durch das Toggenburg bzw. die Alvierkette und
den Alpstein. Die Region Werdenberg setzt sich aus den politischen Gemeinden Wartau
(Azmoos, Trübbach, Weite, Fontnas, Gretschins, Oberschan und Malans), Sevelen, Buchs,
Grabs (Grabs und Stadt Werdenberg), Gams und Sennwald (Frümsen, Haag, Salez, Sax und
Sennwald) zusammen.
Historisch bezieht sich der Name Werdenberg ursprünglich nur auf das Städtchen, das
Schloss und die Grafschaft, die Grabs, Buchs und Sevelen (ab 1304) umfasst. Die
Bezeichnung Werdenberg für alle sechs politischen Gemeinden findet sich erst nach dem
Untergang der alten Eidgenossenschaft 1798. Während der Helvetischen Republik
(1798–1803) bilden die sechs Gemeinden den sogenannten Distrikt Werdenberg, der
gemeinsam mit den Distrikten Mels, Neu St. Johann, Glarus, Schwanden, Schänis und
Rapperswil zum Kanton Linth gehört. Mit der Gründung des Kanton St. Gallens 1803
werden die sechs Gemeinden unter dem Distrikt Sargans dem Kanton zugeteilt. Mit der
dritten Kantonsverfassung 1831 erfolgt eine Aufteilung des Distrikts Sargans, aus
welcher der Bezirk Werdenberg mit den sechs Gemeinden als eine Verwaltungseinheit des
Kantons mit dem Hauptort Buchs hervorgeht. Seit 2003 bildet der Wahlkreis Werdenberg,
der mit dem früheren Bezirk identisch ist, die Region Werdenberg. Der auf das ganze
Gebiet übertragene Name bildet die Klammer und damit die Voraussetzung für die
Entwicklung einer gemeinsamen Identität der Region, die sich vor 1798 aus
verschiedenen Herrschaften zusammensetzt.44
Die historische Region Werdenberg ist nicht identisch mit der heutigen Region und
umfasst ursprünglich mehrere Herrschaften: Die Grafschaft Werdenberg, die Herrschaften
Wartau (Burg Wartau mit dem Dorf Gretschins) und die Freiherrschaft Sax. Nach mehreren
Aufteilungen und Wiedervereinigungen besteht die Region um 1500 schliesslich aus der
Grafschaft Werdenberg mit der Herrschaft Wartau, der Freiherrschaft Sax-Forstegg und
der Herrschaft Hohensax-Gams. Die Gemeinde Wartau ist hoheitsrechtlich nie Teil der
Herrschaft Wartau, sondern gehört zur ehemaligen Grafschaft Sargans bzw. ab 1483 bis
1798 zur eidgenössischen Landvogtei Sargans.45
Topographisch ist die Region geprägt durch eine breite Talsohle, die von Norden nach
Süden verläuft und die östlich vom Rhein sowie westlich von Bergketten begrenzt wird.
Der Rhein entwickelt sich im Mittelalter nach und nach von einer geographischen zu
einer landespolitischen Grenze. Über den Rhein bestehen seit dem Mittelalter drei
Übergänge: Die Fähre bei Gamprin, die 1394 abgelöst wird durch eine Fähre zwischen
Haag und Bendern,46 ein Übergang unterhalb der Stadt Werdenberg
nach Schaan47 und einer am Schollberg. Wegen drohender Überschwemmungen des
Rheins haben sich die meisten Siedlungen an den geschützten Hängen und am Fusse der
Berge gebildet, wo auch Weinbau betrieben wird; im Talboden liegen Auen und
fruchtbares Land für Ackerbau und Weidewirtschaft. Versumpfungen und Überschwemmungen
des Rheins verursachen wiederholt grosse Schäden, weshalb Felder und Dörfer durch
aufwändige Dämme geschützt werden müssen. Der Bau der Wehre und die häufig gemeinsam
genutzten Rheinauen sorgen für reichlich Konfliktstoff zwischen den Gemeinden,
erfordern jedoch auch immer wieder ihre Zusammenarbeit.48 Aus verkehrspolitischer Sicht liegt die Region
an der Transitverbindung auf der linken Rheinseite vom Bodensee nach Sargans-Chur bzw.
Walenstadt-Zürich, wobei der Schollberg einen wichtigen Übergang bildet.49 Bei Gams befindet sich eine Verbindung Richtung Westen
ins Toggenburg.