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SSRQ SG III/4 intro

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, XIV. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, Dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte, Band 4: Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft Hohensax-Gams, par Sibylle Malamud

Citation : SSRQ SG III/4 intro

Licence : CC BY-NC-SA

Table des matières

Vorwort des Präsidenten

Mit dem vorliegenden Band kann ein weiterer wichtiger Baustein in das umfangreiche Gesamtgefüge der St. Galler Beiträge zur Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen eingesetzt werden. Mit Blick auf die Region schliesst diese Edition nun auch die Lücke zwischen den bereits erschienenen Sammlungen im Rheintal und im Sarganserland. Damit ist nun der ganze zur Alten Eidgenossenschaft gehörige Raum des Alpenrheins rechtsquellenmässig erschlossen.
Die Werdenberger Rechtsquellen imponieren nicht nur durch den Umfang der Edition, sondern auch durch ihre historische Mannigfaltigkeit. Sie sind in einem Zeitraum von über 700 Jahren entstanden, zeugen von diversen unterschiedlichen Herrschaftstraditionen und beschlagen eine Vielzahl verschiedener Rechtsgebiete. Auf mittelalterliche Quellen zu Eigentums- und Herrschaftsrechten folgen frühneuzeitliche Dokumente zu Gerichtsherrschaft und Gerichtsbarkeiten, Privilegien und Regalien, Verwaltungsorganisation, -reform und staatsrechtlichen Verhältnissen zu den Ständen der Eidgenossenschaft, über Genossenschaften, Ämter und Kompetenzen, Ehe- und Erbrecht, Sittenmandate und Polizeiordnungen, Strafrecht, Gesundheitswesen und Zoll. Sogar eine Quelle über «Abwehrzauber gegen Hexen, böse Menschen und Geister» aus der Zeit des Prozesses gegen Anna Göldi in Glarus findet sich im vorliegenden Band. Die beiden letzten der 259 Rechtsquellen dokumentieren die Entlassung von Werdenberg und Gams in die Freiheit durch Glarus bzw. Schwyz im Jahr 1798.
Die Werdenberger Rechtsquellen stellen der rechts- und regionalhistorischen Forschung wesentliches Material für neue Studien zur Verfügung. In dieser regionalgeschichtlich sehr aktiven Region wird das neue Quellenwerk rasch fruchtbare Verwendung finden.
Die vorliegende Druckversion ist zugleich Referenzpublikation der ersten Editionseinheit, die vollumfänglich digital erarbeitet wurde. Im seit 2018 aufgeschalteten Portal der Rechtsquellenstiftung (SSRQ-online) finden sich die mit TEI-ausgezeichneten digital erarbeiteten Texte. Neben der Volltextsuche stehen verschiedene Suchfunktionen, darunter die Suche nach den Entitäten Person, Ort, Organisation und Konzept (Schlagworte/originalsprachliche Lemmata) sowie Faksimiles der edierten Stücke zur Verfügung. Die digital erstellten und miteinander verlinkten Orts-, Personen- und Sachindices sowie das Glossar enthalten wertvolle Schlüsselinformationen (z. B. Lebensdaten, Verwandtschaftsbeziehungen, Ortsidentifikationen, Worterklärungen), die durchsuchbar sind. Zudem muss als Mehrwert die Erschliessung der Werdenberger Quellen in den Archivinformationssystemen der beteiligten Archive (LAGL, StASG, StAZH) erwähnt werden.
Die Publikation dieses grossen Werks wurde nur dank dem unermüdlichen Einsatz und der grosszügigen Unterstützung durch folgende Personen und Institutionen möglich. Der Dank der Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins geht zuerst an die langjährige Bearbeiterin, Dr. Sibylle Malamud, auf deren wertvolle und zuverlässige Dienste die Stiftung während vielen Jahren zählen durfte. Ferner gilt der Dank Dr. Pascale Sutter für die bewährte wissenschaftliche und administrative Projektleitung. Dr. Bernhard Ruef hat die zahlreichen Herausforderungen im Bereich der Informatik bewältigt. Dank gebührt sodann für sprachwissenschaftliche Beratung Dr. Hans-Peter Schifferle, Schweizerisches Idiotikon. Für die Karte zeichnet Alexander Hermann vom Geographischen Institut der Universität Bern verantwortlich. Der Druck erfolgte durch die Dike-Verlag AG, Zürich/St. Gallen. Bei der Erfassung und Verwaltung der Literatur hat sich die Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Nationalbibliothek bewährt, indem alle verwendeten Publikationen in der Bibliographie der Schweizergeschichte (BSG) verzeichnet werden. Hierfür sei Christian Aliverti und seinen Mitarbeitenden gedankt.
Sodann gebührt grosser Dank auch den Geldgebern, welche die Finanzierung des Projekts ermöglicht haben. Es sind dies der Lotteriefonds des Kantons St. Gallen, die Gemeinden Buchs, Gams, Grabs, Sevelen und Sennwald, der Friedrich-Emil-Welti-Fonds, Bern, die Walter und Verena Spühl-Stiftung, der Lotteriefonds des Kantons Glarus, der Lotteriefonds des Kantons Zürich, der Lotteriefonds des Kantons Schwyz, die Historisch-Heimatkundliche Vereinigung der Region Werdenberg und der Historische Verein des Kantons St. Gallen. Ihnen allen gebührt grosser Dank.
Für die Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins,
Prof. Dr. Lukas Gschwend, St. Gallen/Rapperswil-Jona, im Juli 2020

Vorwort der Bearbeiterin

Während den sechs Jahren, in denen ich mich mit den Rechtsquellen der Region Werdenberg auseinandersetzte, bin ich in Archiven längst vergangenen Geschichten und Personen begegnet, auf die ich bei der Durchsicht, dem Zusammentragen und Transkribieren der Akten und Urkunden traf. Die alten Schränke, Gestelle und Tablare mit ihren staubigen Schachteln und schweren, dunklen Büchern erweckten jedes Mal von Neuem meine Neugierde auf längst Vergangenes. Ich habe mich aber nicht nur mit der Werdenberger Vergangenheit beschäftigt oder längst Vergangenes ans Tageslicht befördert, sondern auch viele Facetten des heutigen, lebendigen Werdenberg kennengelernt. Es ist eine Region, in der modernes und historisches sehr eng beeinander liegen. Die Wege zu den Schriftstücken führten mich über ausgebaute, breite Strassen, steile Treppen, enge, kleine Gassen, moderne Liftaufzüge oder verwinkelte Strässchen in feuchte Kellergewölbe, in Übungs- und Gemeinderäume, in klimatisierte Büros oder in grosse Industriehallen. Manchmal breitete ich die Urkunden auf grossen Konferenztischen oder auf einem Schülerpult in einer Privatwohnung aus oder stellte meinen Laptop auf eine aus Büchern und Brettern zusammengebastelte Ablage. Häufig fror ich in gut gekühlten Archivräumen an Händen und Füssen, obwohl ich in weiser Voraussicht trotz angekündigten 30 Grad warme Kleidung und Handschuhe eingepackt hatte.
Auf meinen Besuchen bin ich auch vielen netten, interessanten, hilfsbereiten Menschen begegnet. So bleiben mir viele unvergessliche Momente: Gerne erinnere ich mich an das Abendessen am Werdenberger See an einem heissen Sommerabend mit meiner Freundin aus dem Münstertal, die jetzt am Grabser Berg wohnt, oder an die interessanten Diskussionen mit Carolin Krumm von den Kunstdenkmälern Werdenberg im Garten vom «Öpfelbom» in Buchs. In schöner Erinnerung bleibt mir auch mein Besuch bei Alois Dürr, der mir bei einer Tasse Kaffee alles über Bienen beibrachte, was ich heute noch weiss, und dessen Bienenstöcke ich besichtigen und dessen feiner Honig ich kosten durfte. Um mir den langen Heimweg nach Zürich zu ersparen, habe ich manchmal im malerischen Dörfchen Sax im historischen Schlössli Sax übernachtet, wo mich die Familie Theus wunderbar und gastfreundlich bewirtet hat. Was gibt es Schöneres als an einem lauen Sommerabend bei einem Gläschen Weisswein auf der Terrasse vor dem Schlössli zu sitzen, den Blick über das Rheintal schweifen zu lassen und das feine Essen zu geniessen?
An erster Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei der Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins, dem Präsidenten, Prof. Dr. Lukas Gschwend, den Mitgliedern der Kommission sowie der wissenschaftlichen Leiterin, Dr. Pascale Sutter, bedanken. Mein ganz spezieller Dank geht an Dr. Pascale Sutter für ihre jahrelange Projektbetreuung, Hilfe, tatkräftige Unterstützung, ihre Korrekturen und Anregungen. Sie nahm sich für meine kleinen und grossen Fragen immer die nötige Zeit, hatte immer ein offenes Ohr für alle meine Probleme und half mir weiter, wenn ich mich in einer Sackgasse befand. Besonders sei auch Dr. Beni Ruef und Dr. Natalia Korchagina für ihre unermüdliche Unterstützung in allen informatischen und computerlinguistischen Belangen herzlichst gedankt. Auch Dr. Adrian Collenberg möchte ich für seine Korrekturen der Einleitung herzlich danken.
Mein Dank geht auch an Dr. Hans-Peter Schifferle, Chefredaktor des Idiotikons, und sein Team für die kompetente Hilfe bei unklaren Wortbedeutungen. Ebenso möchte ich mich bei Prof. Dr. Hans Stricker, Verfasser der Werdenberger Namenbücher, bedanken, der mir bei unsicheren Lokalisierungen von Ortsbezeichnungen mehr als einmal geholfen hat. Besonderen Dank geht an Stefan Gemperli, lic. phil. I, vom Staatsarchiv St. Gallen und an Dr. Fritz Rigendinger vom Landesarchiv Glarus, die mir die bereits online verzeichneten Bestände zu Werdenberg über Excel zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt haben. Für den reibungslosen Ablauf beim Hin- und Rückspielen der Daten danke ich Beat Mahler, Martin Jenny und Patric Schnitzer. Für die Erstellung der Digitalisate der Urkunden und Akten aus dem Staatsarchiv St. Gallen, die jetzt auf dem online-Portal der SSRQ frei einsehbar sind, danke ich Claudia Privitera.
Danken möchte ich auch Hans Jakob Reich und dem Historischen Verein Werdenberg, ohne deren Initiative und Engagement heute keine Rechtsquellen vorliegen würden. Mein weiterer Dank geht an Prof. Dr. Stefan Sonderegger und an Heinz Gabathuler, die mir bei vielen Fragen und Unklarheiten weitergeholfen haben.
Für die spontane, ehrenamtliche Hilfe vieler Archivarinnen und Archivare, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Rechtsquellenstiftung, Historikerinnen und Historiker, Freunde und Bekannte möchte ich mich besonders bedanken: stellvertretend für sie alle danke ich namentlich Michael Berger, Mathias Bugg, Dr. Cornel Dora, Dr. Peter Erhart, Dr. Albert Fischer, Dr. Moritz Flury, Stefan Gemperli, Dr. Werner Hagmann, Nicole Hanselmann, Dr. Andreas Ineichen, Susanne Keller, Dr. Carolin Krumm, Dr. Jakob Kuratli, Werner Kuster, Dr. Oliver Landolt, Beat Mahler, Dr. Fritz Rigendinger, Patric Schnitzer, Christian Sieber, dem Team der SSRQ ZH, Rupert Tiefenthaler, Karin von Wartburg (BSG), Elodie Wälti (BSG), Regula Wyss und Dr. Regula Zürcher.
Für die Hilfe, das Vertrauen und das Interesse aller Betreuerinnen und Betreuer der Orts-, Gemeinde-, Kirchen-, Pfarr- und Privatarchive, die uns den Zugang zu den Quellen überhaupt ermöglichten, möchte ich ganz besonders danken Frau Anghern, Rony Dürr, Andreas Eggenberger, Josef von Felten, Stephan Fuchs, Daniel Göldi, Alma Guntli, Karl-Heinz Haedener, Hanspeter Lenherr, Karl Lenherr, Mathäus Lippuner, Olivia Loher, Lilly Müller, Hanna Rauber, Samuel Rhyner, Jakob Tinner, Elsbeth Wenk, Irene Wenk und allen, die ich namentlich vergessen habe.
Zum Schluss danke ich ganz herzlich meiner Familie, die mich bei den historischen Reisen in die Region Werdenberg stets unterstützten. Sehr dankbar bin ich dabei auch meinem Ehemann Dr. Peter Brun, der mir nicht nur als Partner sondern auch als promovierter Historiker mit Rat und Tat immer zur Seite stand. Zu guter Letzt möchte ich auch allen meinen Freundinnen und Freunden danken, die mir während der Entstehungszeit dieser Arbeit mit vielen aufmunternden Worten und Gesprächen weiterhalfen.
Dr. Sibylle Malamud, Zürich, im Juni 2020

Einleitung

1Zur Rechtsquellenedition der Region Werdenberg

1.1Vorarbeiten zur Edition

Die Urkunden der Region Werdenberg sind bis Mitte des 14. Jh. ediert.1 Eine wichtige Ergänzung zum Urkundenbuch der südlichen Teile des Kantons St. Gallen bilden die Editionen der Nachbarregionen: Die Rechtsquellenbände Sarganserland und Rheintal, die Liechtensteiner, Vorarlberger oder Bündner Urkundenbücher sowie das Urkundenbuch der Abtei St. Gallen.2 Das Chartularium Sangallense deckt die Urkunden aus dem Kanton St. Gallen – mit Ausnahme der Bezirke Werdenberg, Sargans und Gaster – bis 1411 ab.3 Die vorliegende Edition versteht sich als Fortsetzung und Ergänzung der bereits bestehenden Editionen. In erster Linie werden unbekannte Schriftstücke ab dem 14. Jh. bis 1798 wissenschaftlich aufbereitet und ediert. Wichtige, bereits anderwärtig edierte Quellen werden in Regestform wiedergegeben.
Hilfreich für die vorliegende Edition sind die Arbeiten von Niklaus Senn und Ulrich Reich-Langhans. 1860 erscheint die Werdenberger Chronik von Niklaus Senn, eine Mischung aus chronikaler Geschichtsschreibung, Regesten und Quellen, die er chronologisch zusammenstellt;4 1883 folgt die «Chronik zur Veste und Herrschaft Wartau».5 Senn ediert zudem einzelne Quellen, z. B. das Urbar von Buchs von 14846 oder der formalisierte Ablauf eines Hochgerichts in der Grafschaft Werdenberg.7 Wohl in Anlehnung an die Werdenberger Chronik publiziert von 1921 bis 1932 Ulrich Reich-Langhans eine Chronik der Bezirke Werdenberg und Sargans.8 Seine Chronik ist eine nicht chronologische, etwas unübersichtliche Sammlung von Quellen, die manchmal thematisch, manchmal geographisch, manchmal in nicht nachvollziehbarer Form geordnet sind. Der wissenschaftliche Nutzen ist wegen der zahlreichen Fehllesungen, besonders bei älteren Texten, beschränkt.9
Neuere lokalhistorische Editionen sind die Lizentiatsarbeit von Schwendener zum Werdenberger Urbar von 1543 oder der Anhang von Graber in seiner Geschichte zur Burg Wartau.10 Ein zentrales Rechtsdokument, das sogenannte Landbuch (Landrecht) der Zürcher Landvogtei Sax-Forstegg von 1627, wurde von Hans Georg Aebi in seiner rechtshistorischen Dissertation ediert.11 Es handelt sich um eine sehr gute Edition, die neben einem geschichtlichen Abriss eine Untersuchung des Inhalts der Quelle und der weiteren Überlieferungen enthält. Editionen einzelner Quellen finden sich auch im Werdenberger Jahrbuch, wie z. B. der Schiedsspruch von 1476 über Grenzstreitigkeiten zwischen den Gemeinden Gams und Sax von Noldi Kessler,12 das älteste Werdenberger Urbar von 1483/85 von Heinz Gabathuler13 oder die Werdenbergische Feuerordnung von 1770.14
Eine wichtige Ergänzung zu den Editionen bildet die fundierte Regestensammlung von Emil Krüger, die 1887 als Teil seiner Monographie zu den Grafen von Werdenberg erschienen ist und die noch heute als Grundlage zahlreicher Forschungsarbeiten dient.15 Ältere Regestensammlungen wie z. B. diejenigen von Vanotti oder Lichnowsky gelten hingegen heute in vielfacher Hinsicht als überholt: Die Quellenbelege sind ungenau oder fehlen gänzlich.16 Für die vorliegende Edition von grossem Wert ist das 2017 erschienene Werdenberger Namenbuch von Hans Stricker, das fast 13’000 geographische Namen mit Ortsbeschrieben, urkundlichen Belegen sowie Deutungen der Namen enthält.17
Die ältere Geschichtsschreibung zur Grafschaft Werdenberg beschäftigt sich vornehmlich mit der Geschichte der Grafen von Werdenberg.18 Die Grafengeschichte wurde in den letzten Jahrzehnten durch zahlreiche Beiträge korrigiert und ergänzt. Zu erwähnen gilt es die Arbeiten von Burmeister, Gabathuler und Bilgeri sowie die Ausführungen von Rigendinger zur Entstehung und Ausbildung der Grafschaft Sargans.19 Eine neuere Monographie zu den Grafen von Werdenberg steht jedoch aus. Mit dem Ende der Grafen von Werdenberg-Heiligenberg als Herren der Grafschaft Werdenberg erlischt auch das Interesse an der Geschichtsschreibung der Grafschaft. Der Aufsatz von Burmeister zur Geschichte der Grafen von Montfort-Tettnang als Schlossherren von Werdenberg ist der einzige Beitrag, der sich mit der Grafschaft im 15. Jh., nach der Zeit der Grafen von Werdenberg-Heiligenberg, beschäftigt.20 Burmeister schliesst damit in der Geschichte der Herren der Grafschaft Werdenberg eine Lücke.
Neben der Grafengeschichte sind vor allem die im frühen 20. Jh. erschienenen Dissertationen über die Rechtsgeschichte der Grafschaft Werdenberg von Beusch sowie die Geschichte von Werdenberg unter Glarus von Winteler für den vorliegenden Rechtsquellenband von Bedeutung.21 Die wohl aktuellste Monographie zu Werdenberg ist die Lizentiatsarbeit von Dieter Schindler über Werdenberg als Glarner Landvogtei im 18. Jh.22 Einzelne Themenbereiche wie die Stadt Werdenberg, die Reformationszeit oder die Glarner Landvögte wurden bereits von der älteren Historiographie ausführlich dargestellt.23
Die Historiographie zur Herrschaft Sax beginnt mit der Geschichtsschreibung über die Herren von Sax.24 Ein Standardwerk ist die Dissertation von Deplazes-Haefliger über die Geschichte der Herren von Sax bzw. von Sax-Hohensax.25 Die Historikerin löst sich von der personenzentrierten Geschichtsschreibung und legt den Schwerpunkt auf die Herrschaftsbildung und -entwicklung.26 Neben den hier aufgeführten Gesamtdarstellungen zur Geschichte des Hauses Sax geraten immer wieder einzelne Persönlichkeiten aus dem Hause Sax-Hohensax in das Visier der Forschung, allen voran Ulrich VIII. von Sax-Hohensax27 und Johann Philipp von Sax-Hohensax.28
Betrachtet man die Literatur über die drei Saxer Teilherrschaften Sax-Forstegg, Frischenberg und Hohensax-Gams, so werden diese in den Gesamtdarstellungen zu den Sax-Hohensaxern bis zum jeweiligen Ende der Herrschaft der Freiherren in der Regel berücksichtigt.29 Danach endet jeweils auch die Geschichtsschreibung. Symptomatisch dafür steht Staehelins Geschichte von Gams, in welcher der Autor Gams nach dem Verkauf 1497 vollständig aus den Augen verliert und stattdessen seine Gamser Geschichte mit einer Geschichte über die Herrschaft Sax-Forstegg bis 1615 fortsetzt und mit einem Exkurs über die Zürcher Herrschaft [!] beendet.30 Als gemeine Herrschaft von Schwyz und Glarus scheint Hohensax-Gams mit der Gemeinde Gams nach 1497 ein historiographisches Niemandsland zu sein. Als «Anhängsel» der Landvogtei Uznach-Gaster wird die Herrschaft auch in der Geschichtsschreibung von Glarus oder Schwyz, wenn überhaupt, nur am Rande erwähnt.31 Die «Beiträge zur Heimatkunde Gams» von Anton Müller 1915 und die 1985 erschienene Geschichte von Noldi Kessler sind die einzigen Werke, die sich mit der Geschichte von Gams auch nach dem Herrschaftswechsel 1497 beschäftigen.32
Etwas besser ist es mit Sax-Forstegg als Landvogtei von Zürich bestellt. Die einzige umfassende Darstellung zur Herrschaft Sax-Forstegg als Zürcher Landvogtei stammt von Hans Kreis.33 In der neueren Literatur greift nur Kuster in einem Artikel über das Verhältnis der Herrschaft Sax-Forstegg zur Eidgenossenschaft die Landvogteizeit unter Zürcher Obrigkeit ausführlicher auf.34
Das Werdenberg Jahrbuch vermag das Fehlen neuerer Monographien durch zahlreiche lokal- und regionalgeschichtliche Beiträge zumindest teilweise auszugleichen.35 Die einzelnen Bände enthalten Artikel zu einem Schwerpunktthema, wobei der Band über Verbrechen und Strafe hervorzuheben ist.36 Seit 2018 erscheint eine weitere Reihe in ähnlicher Form: Die «Werdenberger Geschichte/n».

1.2Editionsgrundsätze

Die vorliegende Rechtsquellensammlung wird nicht nur digital im Portal der Rechtsquellenstiftung, sondern auch als interaktives PDF und in Buchform publiziert.37 Die Erschliessung der archivischen Metadaten, die digitale Edition der Texte mit Abbildungen sowie die Auszeichnung und Datenbankerfassung der Registerforschungsdaten folgt den Editionsgrundsätzen der SSRQ.38 Die Texte werden in XML39 nach dem TEI40 -Standard erfasst. Die Auszeichnung von Personen, Orten, Organisationen, Konzepten und Begriffen (Lemmata) in den Texten sowie die Erfassung der Registerforschungsdaten in den Datenbanken der SSRQ und in der Forschungsinfrastruktur histHub ermöglicht es, Personen oder Organisationen mit Standardnamen zu identifizieren, Orts- und Flurnamen zu lokalisieren und originalsprachliche Begriffe in ihrer Bedeutung zu erklären.41
Die Transkription der Texte erfolgt nach den Transkriptionsregeln deutschsprachiger Texte der Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen.42 Diese sind im SSRQ-Wiki dokumentiert; hier die wichtigsten Grundregeln: Die Texte werden buchstabengetreu wiedergegeben, wobei bis Ende des 18. Jh. grundsätzlich die Kleinschreibung gilt. Gross geschrieben werden nur Satzanfänge sowie Personen- und Ortsnamen. Zur besseren Leserlichkeit werden Interpunktionen gesetzt. Getrennt- und Zusammenschreibung von Wörtern folgen der Vorlage, wobei im Zweifelsfall die heutige Schreibweise angewendet wird. Bindestriche in der Textvorlage werden übernommen. Dreifache s (sss, sß, ßs) werden mit ss bzw. ß aufgelöst. In der Onlineausgabe erscheint die Textvorlage in zwei Fassungen: In der quellennahen Fassung werden Titel, Zeilenumbruch, Worttrennungen oder Abschnitte nach der Textvorlage angezeigt. In der normalisierten Fassung ist der Text von der Bearbeiterin strukturiert; Abkürzungen, Worttrennungen und Zeilenumbrüche sind aufgelöst.
Einen Mehrwert bilden das Regest als Inhaltsangabe und die einleitenden Kommentare, die dem Quellentext vorangestellt sind und die Hinweise auf weitere historische Zusammenhänge und Quellen liefern. Für inhaltliche Ergänzungen werden sachkritische Anmerkungen verwendet, die mit arabischen Ziffern dargestellt werden. Textkritische Anmerkungen, Zusätze, Nachträge, Änderungen durch Streichungen, Auslassungen, Ergänzungen, Textvarianten, unsichere Lesungen oder Fehler des Schreibers werden im Text jeweils speziell gekennzeichnet. Unter der Stückbeschreibung erscheinen die Editionsvorlage mit Signatur, die physische Quellenbeschreibung etc. sowie die Angaben zu weiteren Ausfertigungen des Stücks. Bei beschädigten oder verschollenen Originalen dient in der Regel die älteste Kopie als Vorlage. Die in der Edition zitierte Literatur wird mit der Datenbank der Bibliographie der Schweizergeschichte (BSG) der Schweizerischen Nationalbibliothek verlinkt, wo weitere Ressourcen – z. B. Digitalisate von Zeitschriftenartikeln – zur Verfügung stehen.43

1.3Editionsgebiet

Die heutige Region Werdenberg befindet sich im südlichen Teil des St. Galler Rheintals auf der linken Rheinseite und gehört seit 2003 als Region Werdenberg (Wahlkreis) zum Kanton St. Gallen. Begrenzt wird die Region im Osten durch den Rhein bzw. das Fürstentum Liechtenstein, im Süden durch die Region Sarganserland, im Norden durch die Region Rheintal und im Westen durch das Toggenburg bzw. die Alvierkette und den Alpstein. Die Region Werdenberg setzt sich aus den politischen Gemeinden Wartau (Azmoos, Trübbach, Weite, Fontnas, Gretschins, Oberschan und Malans), Sevelen, Buchs, Grabs (Grabs und Stadt Werdenberg), Gams und Sennwald (Frümsen, Haag, Salez, Sax und Sennwald) zusammen.
Historisch bezieht sich der Name Werdenberg ursprünglich nur auf das Städtchen, das Schloss und die Grafschaft, die Grabs, Buchs und Sevelen (ab 1304) umfasst. Die Bezeichnung Werdenberg für alle sechs politischen Gemeinden findet sich erst nach dem Untergang der alten Eidgenossenschaft 1798. Während der Helvetischen Republik (1798–1803) bilden die sechs Gemeinden den sogenannten Distrikt Werdenberg, der gemeinsam mit den Distrikten Mels, Neu St. Johann, Glarus, Schwanden, Schänis und Rapperswil zum Kanton Linth gehört. Mit der Gründung des Kanton St. Gallens 1803 werden die sechs Gemeinden unter dem Distrikt Sargans dem Kanton zugeteilt. Mit der dritten Kantonsverfassung 1831 erfolgt eine Aufteilung des Distrikts Sargans, aus welcher der Bezirk Werdenberg mit den sechs Gemeinden als eine Verwaltungseinheit des Kantons mit dem Hauptort Buchs hervorgeht. Seit 2003 bildet der Wahlkreis Werdenberg, der mit dem früheren Bezirk identisch ist, die Region Werdenberg. Der auf das ganze Gebiet übertragene Name bildet die Klammer und damit die Voraussetzung für die Entwicklung einer gemeinsamen Identität der Region, die sich vor 1798 aus verschiedenen Herrschaften zusammensetzt.44
Die historische Region Werdenberg ist nicht identisch mit der heutigen Region und umfasst ursprünglich mehrere Herrschaften: Die Grafschaft Werdenberg, die Herrschaften Wartau (Burg Wartau mit dem Dorf Gretschins) und die Freiherrschaft Sax. Nach mehreren Aufteilungen und Wiedervereinigungen besteht die Region um 1500 schliesslich aus der Grafschaft Werdenberg mit der Herrschaft Wartau, der Freiherrschaft Sax-Forstegg und der Herrschaft Hohensax-Gams. Die Gemeinde Wartau ist hoheitsrechtlich nie Teil der Herrschaft Wartau, sondern gehört zur ehemaligen Grafschaft Sargans bzw. ab 1483 bis 1798 zur eidgenössischen Landvogtei Sargans.45
Topographisch ist die Region geprägt durch eine breite Talsohle, die von Norden nach Süden verläuft und die östlich vom Rhein sowie westlich von Bergketten begrenzt wird. Der Rhein entwickelt sich im Mittelalter nach und nach von einer geographischen zu einer landespolitischen Grenze. Über den Rhein bestehen seit dem Mittelalter drei Übergänge: Die Fähre bei Gamprin, die 1394 abgelöst wird durch eine Fähre zwischen Haag und Bendern,46 ein Übergang unterhalb der Stadt Werdenberg nach Schaan47 und einer am Schollberg. Wegen drohender Überschwemmungen des Rheins haben sich die meisten Siedlungen an den geschützten Hängen und am Fusse der Berge gebildet, wo auch Weinbau betrieben wird; im Talboden liegen Auen und fruchtbares Land für Ackerbau und Weidewirtschaft. Versumpfungen und Überschwemmungen des Rheins verursachen wiederholt grosse Schäden, weshalb Felder und Dörfer durch aufwändige Dämme geschützt werden müssen. Der Bau der Wehre und die häufig gemeinsam genutzten Rheinauen sorgen für reichlich Konfliktstoff zwischen den Gemeinden, erfordern jedoch auch immer wieder ihre Zusammenarbeit.48 Aus verkehrspolitischer Sicht liegt die Region an der Transitverbindung auf der linken Rheinseite vom Bodensee nach Sargans-Chur bzw. Walenstadt-Zürich, wobei der Schollberg einen wichtigen Übergang bildet.49 Bei Gams befindet sich eine Verbindung Richtung Westen ins Toggenburg.