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SSRQ ZH NF I/2/1 220-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, par Bettina Fürderer

Citation : SSRQ ZH NF I/2/1 220-1

Licence : CC BY-NC-SA

Urteil im Konflikt der Weberstube und der Rebleutestube in Winterthur um die Aufnahme des Hutmachers Jos Grawenstein

1520 janvier 23.

Schultheiss und beide Räte von Winterthur urteilen im Konflikt zwischen der Gesellschaft der Weberstube, vertreten durch die Meister, als Klägerin, und der Gesellschaft der Rebleutestube und Jos Grawenstein, einem Hutmacher, vertreten durch die Meister, um Grawensteins Stubenzugehörigkeit. Die Weberstubengesellschaft klagte gegen die Rebleutestubengesellschaft wegen der Aufnahme des Hutmachers, obwohl eine städtische Verordnung die Stubenzugehörigkeit an das ausgeübte Handwerk knüpft. Die Meister der Rebleute entgegneten im Namen ihrer Gesellen und Grawensteins, dass er die Mitgliedschaft von seinem verstorbenen Vater geerbt habe, so dass er nicht das Stubenrecht einer anderen Gesellschaft kaufen müsse. Sie beriefen sich ihrerseits auf eine Verordnung, welche die Vererbung des Stubenrechts einräumt. Die Meister der Weberstube wandten ein, dass diese Regelung nur wegen der Neuzuzüger getroffen worden sei, die noch nicht wussten, wo sie sich einkaufen sollten, und auch nur diejenigen betreffe, die bereits Stubenrecht erworben hätten. Grawenstein aber habe erst danach geheiratet. Dies bestritt die Gegenseite und beantragte, Beweise erbringen zu dürfen. Nun sind beide Seiten wieder vor Gericht erschienen und haben sich dessen Entscheidung unterworfen. Da Grawenstein und die Rebleutestubengesellschaft keinen Nachweis erbracht haben, fällen Schultheiss und Rat das Urteil, dass sich Jos Grawenstein als Hutmacher in die Weberstube einkaufen solle. Sie behalten sich als Obrigkeit jedoch das Recht vor, diese und andere Verordnungen zu ändern oder abzuschaffen. Auf Wunsch der Weberstubengesellschaft verbriefen sie dieses Urteil. Die Aussteller siegeln mit dem Sekretsiegel der Stadt Winterthur.

  • Cote : StAZH W I 1, Nr. 683
  • Date : 1520 janvier 23
  • Tradition : Original
  • État de conservation : Kanzellierungsschnitt
  • Support d’écriture : Pergament
  • Dimensions l × h (cm) : 43.5 × 33.5 (Plica : 5.0 cm)
  • 1 sceau :
    1. Stadt WinterthurOrganisation : , attaché à une lanière en parchemin, absent
  • Langue : allemand
  • Scripteur : Josua Landenberg

  • Cote : STAW AH 99/6 Zü
  • Date : 18 e s.
  • Tradition : Abschrift (Doppelblatt)
  • Support d’écriture : Papier
  • Dimensions l × h (cm) : 21.5 × 35.0
  • Langue : allemand

In WinterthurLieu : waren Handwerker und Gewerbetreibende nicht in Zünften organisiert, deren soziale Funktion respektive die Interessenvertretung der Mitglieder übernahmen Stubengesellschaften. Der Eintritt in einen dieser Verbände war obligatorisch, wobei die Mitgliedschaft an den ausgeübten Beruf gebunden war. Von dieser Bestimmung waren jene ausgenommen, die schon der Stubengesellschaft ihres Vaters angehörten, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 107-1. Trotz dieser Regelung kam es bisweilen zu Konflikten in der Frage der Stubenzugehörigkeit, vgl. beispielsweise SSRQ ZH NF I/2/1 279-1.

Gemäss Vermerk auf einer Abschrift der vorliegenden Urkunde aus dem 18. Jahrhundert (STAW AH 99/6 Zü) befand sich das Original im Besitz der WeberstubengesellschaftOrganisation : , die 1798 aufgelöst worden war, im Jahr 1800 neugegründet wurde und bis 1836 bestand (Rozycki 1946, S. 122). Im Urkundenverzeichnis der Antiquarischen Gesellschaft in ZürichLieu : ist notiert, dass die Urkunde von der Notariatskanzlei der Stadt WinterthurLieu : übernommen wurde (StAZH KAT 237, S. 51).

Texte édité


Wir, schultheis, cleinOrganisation : und gros rate zuͦ WinterthurLieu : Organisation : , thuͦnd kund mit disem
brieve, das fu̍r u̍ns zum rechten komen sind die meyster ab der weͣber stubenOrganisation : fu̍r sich
selbs und mit vollem gwalt einer gantzen gesellschafft der selben stuben, cleͣger, eins-,
und liesen wider die meyster ab der raͤblu̍ten stubenOrganisation : anderteils zuͦ recht fu̍rwenden, wie
wol wir erst in kurtz verschiner zit ein ordnung abgeredt und gemacht haben aller
stuben halb, das sich ein yeder sinem handtwerck nach uff ein stuben verdienen soͤlle, dahin
er sins antwercks halb gehoͤr,1 so sigen die reblu̍t die, die inen understanden, Jos GrawensteinPersonne : , der sins antwercks ein huͦtmacher sig und on als mittel uff ir stuben gehoͤr, zuͦ entziehen u̍ber und wider die obgemelten ordnu̍ng, so wir gemacht haben. Darum sy verhoffen
welten, das sich die gemelten reͣblu̍t sinen entschlahen und in uff ir stu̍ben inen soͤlten
laussen verfolgen.
Dartzuͦ die meyster ab der reblu̍ten stubenOrganisation : fu̍r sich, ire mitgessellen
und den gemelten JosenPersonne : antwurten liesen, soͤlich ir unzimlich ansuͦchen neme sy
gantz froͤmbd, angesaͤhen, das Jos GrawensteinsPersonne : vatter saͤlig allwegen uff ir stuben gehoͤrt,
deshalb JosPersonne : soͤliche ir stu̍ben von sinem vatter saͤligen ererbt habe, deshalb im nit not sige,
dhein andere stuben ze erkou̍ffen. Zuͦ dem das wir erst in kurtz verschiner zit ein
ordnung gemacht haben, welcher ein stuben von sinen vordren ererbe, das der selbig by
der selben stuben beliben und nit schuldig sin solle, dhein andre ze kouffen, verhoffende,
sy soͤlten by der selbigen ordnung ze beliben erkent werden.
Uff das die meyster
ab der weͣber stubenOrganisation : witer reden liesen, soͤlich ir antwurt neͣme sy froͤmbd, angesaͤhen,
das soͤliche ordnu̍ng abgeredt sige worden allein deren halb, so erst ku̍rtzlich har in zogen
und noch nit gewu̍ßt haben, wohin sy sich verdienen soͤlten. Die selbig ordnu̍ng habe
ouch nu̍n allein die selbigen beruͤrt, die sich dantzmal schon verdient haben gehept
uff ettlich stuben. Die wil aber JosPersonne : der sig, der erst nach der selben ordnu̍ng gewibt, so
habe die noturft irthalb erfordert, ine darum anzelangen, verhoffende, er soͤlte mit recht
schuldig werden, sich uff ir stuben zeverdienen.
Uff das JosPersonne : und die meyster witer reden
liesen, es soͤlle sich nit finden, das er erst noch soͤlicher ordnu̍ng, sonder habe er darfor gewibet und sige ouch darfor ze kilchen gangen. Und wo es not sige, so begere er, das
darzebringen, verhoffende, er soͤlte dartzuͦ gelausen werden.
Und als sy nun darmit ire sachen zum rechten gesetzt, uff das haben wir u̍ns har ine erkent, das JosPersonne :
darbringen soͤlle, das er vor soͤlicher obgemelter ordnung mit siner frowen ze kilchen gangen
sige. Und er tuͤge soͤlichs oder nit, soͤlle fu̍rter beschaͤhen, das recht ist.
Und als sy uff disen
huttigen tag abermals vor u̍ns erschinen sind und JosPersonne : nu̍tzet usgebracht noch dargethan hau̍t,
darum die ab der weber stubenOrganisation : vermeindten, er soͤlle sich uff ir stuben verdienen und aber JosPersonne :
und die ab der reblu̍ten stubenOrganisation : sich getru̍wten der alten ordnung zuͦ behelffen unnd ire
sachen darmit zum rechten satzten, uff das haben wir u̍ns abermals zuͦ recht erkent,
die wil JosPersonne : sins antwercks ein huͦtmacher sig und nu̍tzet dargebracht habe, das er sich
dan nun hinfu̍r mit den meystern ab der weber stu̍benOrganisation : vertragen und ir stuben
ze kouffen und zeverdienen schuldig sin soͤlle, doch mit vorbehaltung unser oberkeyt, das
wir ye zuͦ ziten die und ander ir ordnu̍ng minderen, meren oder gantz abtuͦn mu̍gen.

Welcher ordnung und urteil die gemelten weber eins briefs begerten, so wir inen
ze geben erkent und des zuͦ urkund unser statt secret insigel hiran gehenckt haben
an mentag nach sant AnthoniusPersonne : tag im fu̍nffzehenhundertisten und zwentzigisten jareDate : 23.01.1520.
[fol. v]Saut de page
[Note dorsale au verso par une main du XVIe siècle :]
Weber stuben
[Note dorsale au verso par une main du XIXe siècle :]
1520Date : 1520.
Spruchbrief des Raths zu
WinterthurLieu :
Organisation :
zwzwischen Zünften

Annotations

    1. Vgl. den Ratsbeschluss von 1477 (SSRQ ZH NF I/2/1 107-1).