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SSRQ ZH NF I/1/11 26-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, par Sandra Reisinger

Citation : SSRQ ZH NF I/1/11 26-1

Licence : CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Unzucht junger Leute

1658 juillet 7.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich wiederholen ältere ähnliche Mandate und verbieten das nächtliche Zusammenkommen der jungen Knaben und Mädchen in den sogenannten Lichtstubeten, Weidstubeten, im Wald und auf den Allmenden. Auch an den Sonntagen sind diese Treffen sowie das Baden, Tanzen und Musizieren bei Strafe verboten. Die Bewohner der Landschaft werden speziell auf das Verbot hingewiesen. Alle Amtsträger, Pfarrer und Familienmitglieder sollen den Jungen ausserdem ein Vorbild sein, sie von unzüchtigem und unehrenhaftem Verhalten abhalten und bei Nichtbefolgung dies der Obrigkeit melden. Damit alle Bewohner Zürichs Kenntnis des Mandats haben, soll es zwei Mal jährlich verlesen werden.

Klagen über das nächtliche Herumtreiben von Jugendlichen sind in ZürichLieu : schon seit dem Spätmittelalter in obrigkeitlichen Verordnungen und Gerichtsprotokollen dokumentiert (Sutter 2002, S. 332-342). Die nächtlichen Aktivitäten der männlichen und weiblichen Jugendlichen wurden nicht nur von der Obrigkeit, sondern auch von den Mitbürgern oftmals als Ruhestörung und Übergriffe auf das bürgerliche Eigentum angesehen. Mit gedruckten Mandaten, dem Einbezug von Eltern, Lehrpersonen und Wachtpersonal versuchte die Obrigkeit, dem Treiben Einhalt zu gebieten. Dies hatte aber oft wenig Erfolg, nicht zuletzt auch deswegen, weil sich unter den Jugendlichen häufig die eigenen Söhne und Töchter der Ratsherren befanden (Casanova 2007, S. 91-92). Neben dem nächtlichen Herumtreiben wurden auch die sogenannten Lichtstubeten oder Spinnstubeten wiederholt von obrigkeitlicher Seite verboten. Üblicherweise kamen konfirmierte, ledige Mädchen und Knaben unter Vorwand des gemeinsamen Arbeitens zusammen, um sich weitgehend unbeaufsichtigt gegenseitig kennenzulernen. Die Lichtstubeten fungierten deswegen als wichtige lokale Heiratsmärkte, wo es auch zu sexuellen Annäherungen kommen konnte. In diesem Zusammenhang ist das sogenannte Gadensteigen, was gemäss Casanova ein Synonym für den Kiltgang ist, zu verstehen (Casanova 2007, S. 95). Aufgrund der Nennung der klar auf die Landschaft bezogenen Weidstubeten, kann im vorliegenden Mandat davon ausgegangen werden, dass es sich auch oder sogar vor allem an die Einwohner der Landschaft richtete.

Das vorliegende Mandat ist das einzige, welches das nächtliche Herumtreiben und andere Aktivitäten der Jugendlichen gesondert behandelt. Hingegen werden Nachtruhestörungen in zahlreichen ZürcherLieu : Sammelmandaten thematisiert (beispielsweise StAZH III AAb 1.2, Nr. 1 aus dem Jahr 1601: «daß ein jeder syne kinder zuͦ aller zucht, frombkeit und ehrbarkeit und mit nammen dahin zühe, daß sy nachts by guͦter zyt im huß sygind, und niemand weder mit schryen noch anderen dingen beleidigind»).

Das Exemplar stammt ursprünglich aus Pfungen und enthält mehrere handschriftliche Ergänzungen, die als zeitgenössisch einzustufen sind. Es handelt sich dabei um Passagen, die wahrscheinlich zur Streichung bzw. Ersetzung gedacht waren. Vielleicht war der Schreiber eine Amtsperson oder ein Pfarrer aus PfungenLieu : , der das Mandat für das Verlesen auf der Kanzel korrigierte.

Texte édité

Satzung und Ordnung Wider herfuͤrbrechende allerley muhtwillig- und lychtfertigkeiten / wie auch das naͤchtlichePériode : la nuit gassenvoglen / und darby verlauffende vilfaltige frefel

Xylographie1

Getruckt im Jahr M DC L V III. aDate : 07.07.1658 ()

b

[p. 2]Saut de page

Wir Burgermeister und Rahte der Statt ZuͤrichLieu : Organisation : tuͦhnd kundt offentlich hiemit; Demnach Wir uß anlaaß der je laͤnger je mehr herfuͦrbrechenden lychtfertigen haͤndlen und veruͤbenden grossen muͦhtwillen und uͤppigkeiten / under dem jungen volck / bereits in dem verwichenen 1652. jahrDate : 1652 / eine hoche und unumbgaͤngliche nohtdurft syn befunden / die Liecht- und Weidstubeten / deßglychen auch das naͤchtlichePériode : la nuit zuͦsammenlauffen / schluͤffen und stygen / der jungen Knaben zuͦ den Toͤchtern und Maͤgden / in ihre schlaaffkammeren und gaͤden / item auch in andere winckel / ja etwann gar zuͦ und in ihre bether / mit Oberkeitlichem hochem Ernst zuͦverbieten / etc.Abréviation2 Habend Wir darby die hoffnung gefasset / daß alle gebuͤrende gehorsamme / und erwuͤnschte verbesserung diser unguͦten dingen und veruͤbenden unzuch[p. 3]Saut de pageten und unehrbarkeiten daruß erfolgen wurde:
Wylen aber soͤliches nicht beschehen / sonder Wir leider und mit grossem beduren / uß der taͤglichen erfahrung das widerspil selbsten sehen und vernemmen muͤssend / inmaassen daß c–nicht alleinLa suppression se trouve entre parenthèses d’une main plus récente–c dises naͤchtlichePériode : la nuit zuͦsammenschluͤffen / obangeduͤter maassen annoch starck beharret d / sondern noch darzuͦ komt das zuͦsammen lauffen des jungen volcks / in grosser menge / an den SontagenDurée répétée : 1 semaine in die e Hoͤltzer und uf die Allmenten / daselbsten zuͦtantzen und zuͦspringen / und vil andere unfuͦgen und ungebuͤren noch mehr anzuͦrichten; f–Item auch / daß aber das junge volck sich gantz und gar nicht schuͤhe / an orthen und enden mit grosser aͤrgernuß und mercklicher veranlaasung zur lychtfertigkeit under einandern zuͦbaden;La suppression se trouve entre parenthèses d’une main plus récente–f Wann aber soͤliches alles unehrbare / ungebuͤhrliche und solche sachen sind / dardurch der Allerhoͤchste nicht allein hoͤchlichen erzoͤrnt und beleidiget wird / sondern auch vilfaltige unzuchten / huͦreyen und noch vil mehrers boͤses und [p. 4]Saut de page unguͦts daruß erfolgen tuͦht / So habend Wir hiemit nicht fuͤrgahn koͤnnen / uß Oberkeitlichen obhabenden pflichten / disen unguͦten dingen widerumb / so vil muͤglich / zuͦstuͤren und vorzuͦbawen; Gestalten dann deme nach / Wir hiemit abermalen / und von newen dingen / bevorderist unser junges volck / ernstlich erinneren und vermahnen lassend / daß sy doch umb ihres eigenen heils und wolfahrt willen ihnen selbsten / und ihren Ehren und guͦtem Nammen verschohnen / und sich des naͤchtlichenPériode : la nuit zuͦsammenschluͤffens / es beschehe in obgedachter form / in gaͤden und kammeren / oder in anderen wincklen / wie / wann und uf was form das syn mag / sich gaͤntzlichen muͤssigen und enthalten soͤllind / dann Wir sind gaͤntzlichen gesinnet / und lassend es zuͦ dem end auch offentlich verkuͤndigen / daß Wir alle diejenigen / uf welche derglychen zuͦsammenschluͤffens / und darby fuͤrgeloffener muͦhtwillen und lychtfertigkeit erfunden / kundt und offenbar wurde / es seyind wyb- ald mannspersonen / daß [p. 5]Saut de page Wir dieselbigen / je nach beschaffenheit der sachen / mit gefangenschaften / und in andere weg noch mehr / hertigklichen abstraaffen und buͤssen woͤllind; Inglychem und by nicht minderer Oberkeitlicher hocher straaff und ungnad / lassend Wir auch verbieten / das zuͦ grosser aͤrgernuß gereichende g–baden der jungen Knaben und Toͤchteren under und by einanderen / wie nicht weniger auch dasLa suppression se trouve entre parenthèses d’une main plus récente–g SontaͤglicheDurée répétée : 1 semaine zuͦsammenlauffen des jungen volcks in grosser anzal h–in die ta[g]Complété(e) par analogieistubetenCorrection par une main du XVIIe siècle dans la marge de droite, remplace : uf die Allmenten und in die Hoͤltzer–h / daselbsten zuͦspringen und zuͤtantzen / und andere unguͦte sachen noch mehrers zuͦverrichten / wylen nicht weniger daruß allerley grosses uͤbel und unheil entstaht / sondern auch Gott im himmel / alß welcher ein gewaltiger Yferer und Handhaber synes heiligen Tags des Sabbaths ist / hoͤchlichen erzoͤrnt und beleidiget wird; Insonderheit auch so woͤllend Wir mit ernstlicher straaff ansehen alle diejenigen / so angeduͤtem jungem volck mit gygen / trommen / pfyffen ald andern spilen / was gat[p. 6]Saut de pagetung die seyind / ufmachend / und also zu solchen ungebuͤren umb sovil mehreren anlaaß gebend;
So dann so komt Uns wyter mit sonderbarem und grossem beduren auch fuͤr / wie daß hin und wider das naͤchtlichePériode : la nuit umbschweiffen und gassenvoglen uf unser Landschaft / widerumb ernstlichen herfuͤrbreche / und by soͤlichen anlaͤsen und gelegenheiten / vilen ehrbaren luͤhten / zu nachtPériode : la nuit / alldiewylen sy in ihrer ruh begriffen / das ihrige in ihren Guͤteren mercklich geschaͤndt / zergaͤngt und verboͤseret werde / welches aber nicht allein nicht syn solte / sondern soͤlche sachen fuͤr rechte boͤse frefel / buben- und schelmenstuck zuachten und zurechnen sind / deßnaher so nemmend Wir auch anlaaß / daß angeregte naͤchtlichePériode : la nuit gassenvoglen / und darunder fuͤrlauffende boͤse und aͤrgerliche sachen / hiemit zum allerhoͤchsten abzustricken und zuverbieten / also und dergestalten / daß so Uns der ein ald andere in derglychen verbrechen wird kundt und offenbar werden / Wir denselben gwuͤßlich alß einen boͤsen buben / ernj[p. 7]Saut de pagelich und exemplarisch abbuͤssen und straaffen / auch daß ein glyches von Unsern Obervoͤgten beschehen tuͤhe / hiemit ernstlich gebotten haben woͤllend; Und diewylen dannethin unsere bestellte Pfarrer und Seelsorger uf der Landschaft / deßglychen auch die Elteren / Meister und Frawen zuͦ vorkommung und abstellung diser unguͦten und muͦhtwilligen sachen / freflen und ungebuͤhren / auch nicht wenig guts tuhn / und bytragen koͤnnend / wie nicht weniger auch Unsere nachgesetzte Beamteten / Undervoͤgt / Geschworne / Ehegaumer und Elteste in den Gemeinden / So lassend Wir dieselbigen hiemit auch ernstlichen ansinnen und vermahnen / Sy woͤllind uß Liebe zu den Ehren Gottes und der lieben Ehrbarkeit / deßglychen auch / damit daß junge volck von allem unheil / ungluͤck und schaden / so vil muͤglich / abgehalten und gezogen werde / uf dasselbige ein flyssiges ufsehen haben / und sy mit ermahnen / erinneren / fuͤrstellen und zusprechen zu allem gutem zuverleiten / auch die [p. 8]Saut de page ungehorsammen Uns zu gebuͤrender abstraaffung leiden / k–und mit nammen woͤllend Wir auch / daß by gegenwuͤrtiger Erndszyt von allen Meister- und Frawen flyssig gewahret und sorg gehalten werde / damit das junge volck von Knaben und Toͤchtern zunachtsPériode : la nuit nicht zusammen an einerley ohrt und gelegenheiten gelegt / sondern zu sovil mehrerer vorkommung alles unguten absoͤnderlich gehalten werdindLa suppression se trouve entre parenthèses d’une main plus récente–k.
Und dannethin damit sich niemand einicher unwuͤssenheit zuentschuldigen / so gebietend Wir fehrners / und ist hiemit Unser befelch / will und meinung / daß soͤlich Unser Ansehen uf das wenigist des jahrs zweymalDurée répétée : 6 mois offentlich verlesen werde / damit also ein jeder und jede sich darnach zuverhalten / und ihnen selbsten vor schmaach und schaden zusyn wuͤssind.
Geben Mittwochs den 7. HeumonatÀ l’original : Heum. im 1658. jahreDate : 07.07.1658 ().
ENDE.

Annotations

  1. Ajout en bas de page par une main du XVIIe siècle : Jul: 7t.
  2. Ajout en bas de page par une main du XVIIe siècle : PfungenLieu d’origine : .
  3. La suppression se trouve entre parenthèses d’une main plus récente.
  4. Ajout au-dessus de la ligne par une main du XVIIe siècle avec un signe d’insertion : werde.
  5. Ajout au-dessus de la ligne par une main du XVIIe siècle avec un signe d’insertion : tagstubeten.
  6. La suppression se trouve entre parenthèses d’une main plus récente.
  7. La suppression se trouve entre parenthèses d’une main plus récente.
  8. Correction par une main du XVIIe siècle dans la marge de droite, remplace : uf die Allmenten und in die Hoͤltzer.
  9. Complété(e) par analogie.
  10. Ajout à la hauteur de la ligne par une main du XVIIe siècle : st.
  11. La suppression se trouve entre parenthèses d’une main plus récente.
  1. Faksimilie und Beschreibung des Holzschnitts vgl. Zürcher Kirchenordnungen, Bd. 2, S. 1367.
  2. Hier wird wahrscheinlich auf das Mandat vom 14.10.1652Date : 14.10.1652 () verwiesen (Edition: Zürcher Kirchenordnungen, Bd. 2, Nr. 318).